Der Vater erwartet, dass er den Familienbetrieb in Affoltern am Albis übernimmt, die Mutter behandelt ihn immer noch wie einen kleinen Jungen, den sie verwöhnen kann – Sebastian, eben achtzehn Jahre alt geworden, sieht nur eine Möglichkeit, dem Deutschschweizer Kleinstadtmief zu entkommen: Er bewirbt sich als Au-pair in Genf. Der schüchterne Protagonist, das Gegenteil eines jugendlichen Revoluzzers, emanzipiert sich also auf eine eher ungewöhnliche Art und Weise.
Christoph Schaubs Jeune homme folgt dem Muster einer klassischen Coming-of-Age-Komödie: Es geht um Abnabelung, Identitätsfindung, erste Liebe und ersten Sex. Leichtfüssig folgt der Film hauptsächlich Sebastians Erfahrungen im Welschland. In der schicken Villa der Dumoulins lernt er unter den gestrengen Augen der leicht neurotischen Hausherrin den Au-pair-Alltag kennen, fährt Baby Mahaut spazieren, sitzt in der Französischklasse inmitten kichernder Mädchen und erträgt die Sticheleien der beiden halbwüchsigen DumoulinKinder, für die ein «jeune homme au-pair» nur schwul sein kann. Doch bald macht Sebastian Erfahrungen, die ihn über sich hinauswachsen lassen: Die attraktive Nachbarin verführt ihn, und er verliebt sich in die hübsche Kunstmalerin Elodie, die er bereits bei der Ankunft in Genf kennengelernt hat. Als er bei einem Ehekrach seiner Gasteltern zwischen die Fronten gerät, erweist er sich als Verbündeter aller Parteien und bringt mit seinen Ratschlägen und Kochkünsten die Sache wieder ins Lot. Am Ende ist Sebastian erwachsen geworden und nimmt seine Zukunft selber in die Hand.
Neben dem Erwachsenwerden ist der viel beschworene «Röschtigraben» in Jeune homme ein zentrales Element. Dabei tragen sprachliche und mentalitätsbedingte Verständigungsschwierigkeiten einiges zur Situationskomik bei. Die gemischtsprachige Besetzung überwindet die Sprachbarriere spielend und überzeugt durchwegs, vom Gymnasiasten Matthias Schoch, der als Sebastian sein Spielfilmdebüt gibt, über den viel beschäftigten Hanspeter Müller-Drossaart als Vater bis zur Belgierin Alexandra Vandernoot in der Rolle der Madame Dumoulin. Die Idee zum Film stammt von Produzent Marcel Hoehn, der mit ihr ein klares Ziel verfolgte: «Mein Anliegen war es, den
‹Röschtigraben› zu überlisten und eine Geschichte für die ganze Schweiz erfolgreich auf die Leinwand zu bringen.» Das hat er erreicht: Jeune homme ist eine liebevolle und zügig inszenierte Gesamtschweizer-Komödie, die gut unterhält, aber niemandem diesoder jenseits des berühmten Grabens zu sehr auf die Füsse tritt – ein Film, der die Klischees bedient, sie aber auch immer wieder auf charmante Weise untergräbt. Regisseur Christoph Schaub hat es nach dem äusserst erfolgreichen Sternenberg mit Jeune homme erneut geschafft, einen echten Publikumsfilm zu drehen.