DORIS SENN

WIR SIND DIR TREU (MICHAEL KOCH)

SELECTION CINEMA

«Eeefffzeee Baaasel!» – «Miir siiind dir treu!» So tönts vom jungen Mann mit Megafon, dem so genannten Anstimmer, die Ränge der Fussballarena hinauf und entsprechend stimmlich potenziert von den Fans wieder herunter. Mal laut, mal leise, mit Klatschen und Stampfen, mit Raunen und Johlen, mit Singen und Rufen, unter Einsatz von Fahnen und farbigen Plastiksäcken unterstützen die Vereinsanhänger ihre Spieler mit Stimme und Körpereinsatz. Als Anstimmer und Animator fungiert ein stämmiger Bursche mit tiefschwarzem Haar und hellen Augen, der dabei nichts weniger als die berüchtigte Muttenzerkurve orchestriert – die Hardcore-Fans des Basler Fussballclubs. Jungfilmemacher Michael Koch hielt dieses Ballett fussballerischer Begeisterung in all seinen Facetten fest.

Mit gerade mal zwei Kameras gedreht, bleibt unser Blick entweder seitlich auf den Animator gerichtet oder auf dessen Rücken und damit frontal auf die Fans. Der Verlauf des Spiels lässt sich lediglich in Fragmenten auf den Gesichtern von Anstimmer und Fussvolk ablesen: Enttäuschung, Fassungslosigkeit, Wut, banges Hoffen, aber auch überschäumende Freude. Die isolierte Szenerie, die durch keinen Schwenk auf das Feld, keine Lautsprecheransagen oder Aufnahmen der gegnerischen Fans aufgemischt wird, legt die Mechanismen der orchestrierten Begeisterung in den Fan-Reihen bloss: So also werden die Emotionen angeheizt, so wird aus dem Trüppchen zusammengewürfelter Individuen eine Einheit geschweisst, die auf die Kommandos des auf einem kleinen Podest zum Publikum stehenden Anstimmers gefügig reagiert und Bilder und Chöre entstehen lässt, die man am Fernsehen schon des Öfteren – nicht wissend um die verdeckte Inszenierung – mit Verwunderung zur Kenntnis genommen hat. Und natürlich sind auch die bitteren Anklänge einer so geschickten Masseninszenierung an politische Zusammenhänge nicht weit, bestärkt von Parolen wie

«Tod u Hass em Effzeezett», die auf den gegnerischen Zürcher Fussballclub und seine Gefolgschaft gemünzt sind, oder ausgestreckte Arme, die salutierend aus der Menge ragen. Michael Koch – als Hauptdarsteller in Achtung, fertig, Charlie! (Mike Eschmann, 2003) kein Unbekannter – studiert zurzeit an der Kunsthochschule für Medien in Köln und hielt diese exemplarische Interaktion zwischen «Agitator» und Fans in seinem ersten Kurzfilm fest. Mit minimalsten technischen Mitteln legt er ein entlarvendes Zeugnis über Fan-Kultur und Manipulation der Massen vor, für das er verdientermassen schon eine ganze Reihe Preise eingeheimst hat.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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