VERONIKA GROB

SONJAS RÜCKKEHR (TOBIAS INEICHEN)

SELECTION CINEMA

Auf den Fernsehfilm Sonjas Rückkehr waren im Frühling 2006 alle gespannt: Würde sich Melanie Winiger auch in einer dramatischen Rolle bewähren? Die ehemalige Miss Schweiz gab ihr Filmdebüt als Rekrutin Bluntschi in Achtung, fertig, Charlie! und verhalf der RS-Komödie unter anderem mit einer heissen Duschszene zu grandiosem Publikumserfolg. Danach zog sie sich eine Weile zum Schauspielstudium in die USA zurück, bevor sie nun mit Sonjas Rückkehr wieder auf den hiesigen Bildschirmen zu sehen war. Und ja, sie hat die Feuerprobe bestanden. Mit rotziger Verletzlichkeit gibt sie die gerade aus dem Knast entlassene Mutter, die um ihr Kind kämpft, und vermeidet trotz des an sich kitschigen TV-Stoffs jegliches Pathos.

Es klingt schon im Titel an – eigentlich ist Sonjas Rückkehr ein klassisches Herz-Schmerz-Rührstück aus der Fernsehküche: Junge Frau hat wegen Mordes an ihrem Ehemann Jahre unschuldig im Knast gesessen und möchte nun – endlich wieder draussen – nur ihren Sohn sehen. Diesem wurde jedoch gesagt, seine Mutter sei tot, der böse Schwiegervater meldet Besitzansprüche an und verbietet ihr, den Kleinen zu besuchen. Was aus der Geschichte ein «TV-Movie plus» macht, ist die komplexe Rolle der Sonja, welche nicht bloss unschuldig und rührselig ihre Muttergefühle hegt, sondern rebellisch («mit em Chopf dur d’Wand») für ihren Sohn kämpft und dabei gegen einige Bewährungsauflagen verstösst. Leider fokussiert das TV-Movie gar stark auf die verzweifelten Erziehungsmassnahmen ihres Schwiegervaters (Urs Hefti), der es zwar gut meint, aber mit der Fürsorge für seinen Enkel vor allem seine eigenen Schuldkomplexe verdrängt. Wie sich herausstellt, ist er sogar mitverantwortlich dafür, dass Sonja im Gefängnis landete. Mehr Zeit dagegen hätte man dem herzigen Secondo-Geschwisterpärchen (Oliver Zgorelec, Fitore Aliu) gewünscht, das Sonja bei ihrem Kampf um ihren Sohn schliesslich tatkräftig unterstützt.

Mit Sonjas Rückkehr ist dem Schweizer Fernsehen ein rührendes, schwungvolles und tief in der Schweizer Mittelland-Mentalität verwurzeltes Melodrama gelungen, das an einem Sonntagabend über 600’000 Zuschauer begeistern konnte. Sowohl Drehbuchschreiber Dave Tucker wie die junge Produktionsfirma HesseGreutert konnten mit diesem Projekt ihren ersten Langspielfilm realisieren, während sich Regisseur Tobias Ineichen schon als Lüthi und Blanc-Regisseur, mit dem SF-Film Dilemma und dem Tatort Schneetreiben einen Namen gemacht hat. Kameramann Felix von Muralt dagegen ist ein Bilder-Profi, der zudem mit dem Kurzfilm Visite médicale eben seine erste Regiearbeit vorgelegt hat. Vor allem aber konnte Melanie Winiger beweisen, dass sie nicht nur schön ist, sondern auch schauspielerisch einiges auf dem Kasten hat. Das Jahr 2006 könnte denn auch glatt zum Melanie-Winiger-Jahr erklärt werden. Nach Sonjas Rückkehr ist sie auch in zwei Kinofilmen zu sehen, in Peter Luisis Slapstick-Komödie Love Made Easy und Mike Eschmanns Hip-Hop-Drama Breakout.

Veronika Grob
geh. 1971, hat Literaturwissenschaften studiert und arbeitet als Filmredaktorin bei SF DRS. Mitglied der CINEMA-Redaktion seit 2002.
(Stand: 2018)
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