SONJA EISL

EDEN (MICHAEL HOFMANN)

SELECTION CINEMA

Spätestens seit Fried Green Tomatoes (John Avnet, USA 1991) wissen wir: Das Geheimnis liegt in der Sosse. In Eden liegt es in der Schoko-Cola-Sosse und will von der jungen Kellnerin Eden (Charlotte Roche) – nomen est omen – ergründet werden. Ohne zu wissen, dass sie gerade zum Verzehr eines Topfs Stierhoden verführt worden ist, taumelt Eden in Michael Hofmanns märchenhafter Tragikomödie glückselig berauscht von dannen. Es ist der Beginn einer aussergewöhnlichen Liebesgeschichte, deren heimliche Hauptprotagonistin die «Cucina erotica» des dicken Meisterkochs Gregor Barbier (Josef Ostendorf) ist. Dieser Koloss, der sich seit seiner frühsten Kindheit nichts sehnlicher wünscht, als einen stattlichen Bauch zu haben, versteht es wie kaum ein Zweiter, sich selber beim Kochen und seine Gäste beim Essen in Ekstase zu versetzen. Doch während seine Anhänger von weit her in das Sternelokal im beschaulichen Kurort pilgern und der «GaultMillau» in höchsten Tönen schwärmt, braut sich über den Wipfeln des Schwarzwaldes bereits ein Gewitter zusammen: Bald geht das Gerücht um, dass sich die Frau von Xaver Trepp (Devid Striesow), die schöne Eden, «auswärts Appetit hole» ...

Die deutsch-schweizerische Koproduktion Eden ist der dritte Langfilm des Berliners Michael Hofmann. Der ursprüngliche Werberegisseur schafft es mit einem bis in die Nebenrollen (Manfred Zapatka, Max Rüdlinger, Roeland Wiesnekker, Pascal Ulli) hochkarätig besetzten Ensemble, eine dramaturgisch eher bescheidene, manchmal auch vorhersehbare Story in etwas Aussergewöhnliches zu verwandeln, wie dies der Spitzenkoch mit seinen kulinarischen Kreationen tut. Der grossartige Theatermime Josef Ostendorf und das deutsche TV-Nachwuchstalent Charlotte Roche (in ihrer ersten Filmrolle) sind ein kongeniales Darstellerpaar. Mit ihren von unzähligen Grossaufnahmen eingefangenen Blicken, ihrem mal offenherzigen, mal bösartigen Lächeln erzählen sie eine Geschichte der Zwischentöne und Uneindeutigkeiten. Kontrastiert wird das sublime Spiel durch die orgiastischen Bilder vom Kochen und Schlemmen, unterlegt mit klassischer Musik von Vivaldi und Delibes.

Nicht zuletzt besticht der Film aber auch durch die vielen liebevoll gestalteten Momentaufnahmen und überraschende Einfälle wie die selbstreflexive Kommentarebene von Gregor. Es ist aber der an so manche skandinavische Produktion erinnernde skurrile, schwarze Humor, der den Film vor dem Abgleiten ins Kitschig-Dramatische bewahrt und dafür verantwortlich ist, dass man – wie der Volksmund kalauert – trotzdem lacht.

Sonja Eisl
*1976, Studium der Theaterwissen­schaft, Film­­wissenschaft und der Neusten Geschich- te in Bern und Zürich. Sie arbeitet im Theater Tuch­laube (Aarau) im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Dramaturgie und lebt in Bern.
(Stand: 2010)
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