DORIS SENN

RIVIERA COCKTAIL – EDWARD QUINN, FOTOGRAF, NIZZA (HEINZ BÜTLER)

SELECTION CINEMA

Die Schönen und die Reichen, die Stars und die Künstler, die Primadonnen und die Millionäre – Edward Quinn hielt sie mit seiner Kamera fest: in bestechenden Schwarzweissfotografien, die er in den Fünfzigerjahren an der Côte d’Azur machte. Wenn die Stars zum Filmfestival von Cannes anreisten, im Carlton in Nizza logierten oder Onassis seine Yacht vor Monaco ankerte und damit die Haute Voilée wie das Licht die Motten anlockte: Der drahtige irische Fotograf war dabei. Entweder vor allen andern – dafür übernachtete er auch mal im Hotelkorridor – oder nach allen andern, wenn er sich im Badezimmer der Lollobrigida einschloss, bis der Ansturm vorbei war. Oft war Quinn aber auch einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort – etwa um Kim Novak, in selbstversunkener Attitüde an den Spiegel gelehnt, gerade noch vor dem Schliessen der Lifttür abzulichten.

Geboren wurde Quinn 1920 in Dublin. Er begann als Musiker, wurde während des Kriegs Funker und später Navigator für Charter-Airlines. Dabei lernte er seine Frau Gret kennen, er zog zu ihr nach Monaco und begann zu fotografieren – wobei er sein Wissen einzig aus Büchern bezog. Zuerst widmete er sich Pin-ups, als das zu wenig einbrachte, entdeckte er die Prominenz, die sich an der Côte d’Azur tollte. Audrey Hepburn und Alfred Hitchcock, Zsa Zsa Gabor und Gary Cooper, Edith Piaf und Brigitte Bardot, Alain Delon und Jane Fonda: Die Liste der Persönlichkeiten, die Edward Quinn vor seine Linse holte, ist lang und beeindruckend. Fern heutigen Paparazzitums sind seine Bilder stilvolle Ikonen – und darüber hinaus eigentliche Zeitdokumente einer unvergesslichen Epoche von Glanz und Glamour: In den Fünfzigerjahren konnten Fotos noch Karrieren initiieren, Schönheitsköniginnen zu Stars und Stars zu Prinzessinnen machen. Mit seiner zurückhaltenden Art und dank seiner künstlerischen Bravour besass Quinn das Vertrauen der High Society: Er begleitete Grace Kelly bei ihrer ersten Begegnung mit Fürst Rainier, er ging auf Onassis’ Yacht ein und aus, und er erwarb sich die Freundschaft Picassos, der nicht nur für Quinn posierte, sondern ihn auch während seiner Arbeit fotografieren liess.

Heinz Bütler, der sich mit seinen Porträtfilmen über Künstler im Rahmen der Fernsehproduktionen von NZZ Format, für die auch Riviera Cocktail entstand, einen Namen gemacht hat, erweist hier dem legendären Starfotografen Hommage. Als Zeitzeugen dienen ihm zum einen Gret Quinn, die nicht nur Quinns Fotos entwickelte, sondern seit seinem Tod 1997 auch sein Archiv (mehr als 100'000 Negative!) betreut. Zum andern Edward Quinn selbst, der amüsante Episoden aus seiner Laufbahn erzählt. Um die Fotos zum Leben zu erwecken, bedient sich Bütler einer experimentellen Vielschichtigkeit: nebst einem Off-Kommentar, der launige Fakten zur Zeitgeschichte einstreut, wählt er bilduntermalende Bruitage. Ausserdem improvisiert das Jazzquintett European Legacy zu den im Hintergrund der Band projizierten Fotografien – ein Dialog, der allerdings vor allem da überzeugt, wo die beiden Bildebenen nicht miteinander konkurrieren und die Musik sich ohne die Einblendung des Quintetts von Quinns Aufnahmen inspirieren lässt. Das Herzstück des Films bleibt allerdings die (Wieder-)Entdeckung des Fotografen und seiner einzigartigen Bilder.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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