STEPHANIE KÜHNLE

SMILLA’S SENSE OF SNOW (BILLE AUGUST, DK/D/S 1997)

MOMENTAUFNAHME

Wer als Kind einmal Kopfläuse mit nach Hause gebracht oder in den Ferien auf Goa die Amöbenruhr aufgelesen hat, weiss: Parasiten sind im Allgemeinen linke kleine Socken, die ihren Wirt aufs Unangenehmste piesacken können, ohne ihm dabei aber je wirklich lebensgefährlich nahe zu treten. Die Spezies aber, die Smilla Jaspersen und ihr Vater hier auf diesem Röntgenbild betrachten, ist aus anderem Schnee und Eis geschnitzt: Drancunculus borealis, der prähistorische Wurm, normalerweise bombensicher tiefgefroren in der blauweissen Unergründlichkeit der Arktis, gibt sich in aufgetautem Zustand nicht mit blosser Koexistenz und ein paar Krümeln zufrieden. In Windeseile vermehrt er sich im Inneren seiner menschlichen Opfer, um deren Organe aufs Wüsteste zu durchpflügen und ruckzuck in Schweizer Käse zu verwandeln. Bei derart schlechten Manieren gefriert sogar dem Schneefräulein Smilla das Blut in den Adern. Und es beschleicht das Publikum das unangenehme Gefühl, dass Mutter Erde damals nicht gefragt worden ist, als ihr der liebe Gott den Menschen als Beherrscher vor die Nase setzte – und dass sie seither keine Bemühung auslässt, um die lästigen Schmarotzer schnellstmöglich wieder loszuwerden.

Stephanie Kühnle
geb. 1970, ist Architektin und Innenarchitektin in Zürich und benutzt beim Entwerfen von Innenräumen oft die Inspiration durch atmosphärisch dichte Filmbilder und -szenen.
(Stand: 2007)
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