Ein Briefkasten im Winterwald, an einer schmalen Strasse mitten im Nichts: Hier wohnt Yusef Lateef, und hier besuchen ihn die Filmemacher. Der Jazzmusiker lebt alleine mit seinen Instrumenten, abgeschieden von der Welt, und erzählt mit leiser Melancholie von seinen Erinnerungen an die Arbeit mit John Coltrane und Dizzy Gillespie. Ergänzt werden diese Anekdoten und Reflexionen übers Musikmachen mit Lateefs Gesang und dem Spiel auf seinen Instrumenten. Beim Erzählen wie auch beim Musizieren strahlt der alte Mann eine innige Tiefe und Ruhe aus; zwischen den Sätzen und Melodiepassagen zögert er immer wieder, horcht in sich, und was dann ertönt, wirkt wie eine Meditation, die aus der Mitte des Moments heraus entsteht. Die persönliche Suche nach der eigenen Stimme, sagt Lateef, sei die Wurzel der Kreativität.
Das filmische Vorgehen von Nicolas Humbert und Werner Penzel folgt dem Wesen des Porträtierten respektvoll: Mit der adäquaten Mischung aus vorsichtiger Distanz und Einfühlung gehen sie auf den Musiker ein und lassen ihm viel Platz und Zeit. So entfalten sich die schlichten Aufnahmen eindringlich; die Hände auf der Klaviertastatur, die Furchen auf der Stirn, die Vibrationen der Stimme – all diese Details finden ihre Resonanz dank der bewussten Reduktion der filmischen Gestaltung, die sich in der Kargheit des verschneiten Waldes spiegelt. Weit und breit scheint niemand zu sein, und man fragt sich: Wie kommt Lateefs Musik bloss unter Menschen, wie findet sie ihr Publikum, wie gelangt sie aus dieser Abgeschiedenheit heraus, die doch für ihr Entstehen so nötig scheint? Umso schöner ist es, dank den Filmemachern daran teilhaben zu können. Mehr noch: zuzuschauen, wie die filmische Gestaltung mit dem Porträtierten eine Synthese eingeht, die man sich subtiler fast nicht vorstellen kann. Brother Yusef wirkt wie eine vollendet harmonische Zusammenarbeit zwischen den drei Menschen. Die Schlusseinstellung zeigt Lateef im Türrahmen seines Hauses. Er verabschiedet die Filmemacher und uns Zuschauer, winkt und schliesst dann leise die Tür. Das wars, sagt diese Geste, der Besuch ist zu Ende, der Film aus: Teil des Porträts ist auch der Abschied vom Porträtierten und die Stille, die danach einkehrt.