Sie ist eine Ikone der brasilianischen Musik und eine faszinierende Erscheinung mit ihrer schwarzen Mähne, ihrem breiten Lächeln, ihrer prägnanten Nase und ihren funkelnden Augen. Nicht zu vergessen der Klang ihrer tiefen, sonoren Stimme. Mit ihrer Präsenz – und natürlich ihren Liedern – schlägt sie bei Konzerten jeweils Zehntausende in ihren Bann. Und glaubt man einem ihrer Musikarrangeure, bringt ihre magische Ausstrahlung sogar die Geräte im Aufnahmestudio dazu, verrückt zu spielen. Die Brasilianerin Maria Bethânia ist die Königin der romantischen Ballade.
Dieser in ihrer Heimat äusserst populären Sängerin, die bereits auf eine 40-jährige Karriere zurückblicken kann, widmet Georges Gachot sein neustes Werk, das Hommage an die Musik und die charismatische Persönlichkeit Maria Bethânias zugleich ist. Er begleitete die Sängerin bei den Proben im Tonstudio, bei ihren grossen Auftritten ebenso wie im kleinen Rahmen, wenn sie von sich, von ihrer Kindheit und ihrer Beziehung zur Musik spricht. Zu Wort kommen ausserdem ihre Mutter – eine äusserst vife Persönlichkeit –, Marias Bruder und Musiker Caetano Veloso sowie Gilberto Gil oder Marias Textpoet Chico Buarque.
Maria Bethânia – den Namen, einer gleichnamigen Ballade entlehnt, erwählte ihr Bruder für sie zu Kindheitszeiten – fühlt sich ihrem Land, dessen Bewohnern und Traditionen innigst verbunden: Brasilien ist für sie Nährboden und Inspiration zugleich. Wie schon in seinem Film über die argentinische Pianistin Martha Argerich (Martha Argerich – Conversation nocturne, 2002) suchte Gachot Bilder, um den kulturellen Kontext der Künstlerin zu illustrieren. In Maria Bethânia sehen wir entsprechend Impressionen des urbanen Rio, von idyllischen Kleinstädten, in denen die Zeit stehen geblieben scheint, von sattgrünen Landschaften. Passend zur «Saudade», die Maria Bethânias Lieder verströmen, sind es vorwiegend Aufnahmen in der Nacht und der Dämmerung, im nebligen Schimmer spärlicher Lampen – Bilder, die von Gelassenheit, aber auch von verspieltem Alltag und feierlicher Ritualität erzählen, von dem Schmelztiegel einer Kultur, die unterschiedlichste Einflüsse in sich vereint.
Georges Gachot, der seine bisherigen Dokumentarfilme vorwiegend im Bereich der klassischen Musik ansiedelte, wagte sich mit seinem jüngsten Film in ein neues, leichteres Genre vor. Mit Maria Bethânia schuf er ein zurückhaltendes Porträt, welches das Fluidum des kreativen Moments, das Einssein von Musikerin und Musik zu fassen sucht – grösstenteils unter Aussparung von Details zur Biografie. Das lässt den Film zu einer intensiven Momentaufnahme werden, die das musikalische Erlebnis über alles stellt. Das vage Mysterium um ihre Person, das ihre Musik mit einem zusätzlichen Hauch Faszination umgibt, lässt dabei umso tiefer in die Stimmung ihrer Liebeslieder eintauchen.