DANIEL DÄUBER

LÜCKEN IM GESETZ (CHRISTOF SCHERTENLEIB)

SELECTION CINEMA

Es fängt alles ganz locker und fast beschwingt an, als die Junganwältin Lisa Zürcher ihren Job in Freiburg aufnimmt. Gleich am ersten Tag wird ihr die Verteidigung des Hanfbauern Krattiger zugeteilt, dem die Pflügung seines Ackers droht. Dort wachse der Rohstoff für Drogen, so die Überzeugung der Polizei. Fast wie in einer Posse von Schildbürger’schem Ausmass geht’s weiter, als der Stöckelschuh vom schicken «Anwaltsfräulein» auf Krattigers Grundstück im Kuhmist stecken bleibt, während eine schlecht organisierte Polizeimeute tölpelhaft auf dem Hanf-Hof herumsteht. Der anwesende Untersuchungsrichter wähnt sich derweil im Recht, obschon er sein Vorgehen mit keinem passenden Paragrafen stützen kann. Die Blitzaktion riecht verdächtig nach unerlaubter Absprache zwischen Lokalpolitik und Polizei.

Man kommt unweigerlich ins Schmunzeln, wie der Schaffhauser Martin Rapold den aufmüpfigen Jungbauern Krattiger in breitestem Berndeutsch gibt, Max Gertsch sich als öliger Paragrafenreiter aufspielt und Doro Müggler als junge, starke Frau gefällt. Es hat komödiantische Züge, wenn sie sich selbstsicher gegen ihre männlichen Kollegen durchsetzt. Dies ist treffend beobachtet und wird an Details geschickt festgemacht: Auf der Baustelle etwa überquert Lisa sportlich eine Abschrankung, während sie diese für ihren Freund hochhält, damit er unten durch kann.

Doch den polternden Hanfbauer und die ehrgeizige Anwältin verbindet nicht nur die Verteidigung des Hofes. Plötzlich wird Lisa bewusst, dass ihr die Finanzgeschäfte des Verlobten suspekt sind, ihr Schwiegervater in spe nicht bloss bereits ein Haus für die zwei gebaut, sondern auch sonst überall seine «lenkenden Hände» im Spiel hat. Wie sich zeigen wird, hatten mehrere Parteien ein Interesse an der Hausdurchsuchung respektive Festnahme von Krattiger; dabei war Ersteres keineswegs rechtens. Weitere Unsauberkeiten bei diesem Verfahren sind erst der Anfang, die im Zentrum eines ausgewachsenen Justizskandals stehen, der zu ausgedehnten Ermittlungen der Untersuchungsbehörde und einem Aufsehen erregenden Prozess vor dem Bezirksgericht Tafers führt.

All dies hat sich 1997 als Fall «CannaBioland» tatsächlich ereignet, und zwar bei Armin Käser im freiburgischen Litzistorf. Regisseur Christof Schertenleib und sein Ko-Autor Felix Benesch nahmen die Geschichte von Käser, der Opfer unrechtmässiger Absprachen zwischen Justiz und Polizei wurde, als Ausgangspunkt für eine fiktionale Geschichte. Dabei hielten sie sich an die Fakten, erfanden aber zum Beispiel die Junganwältin Lisa dazu, um das Geschehen aus einer anderen als bloss der trocken-juristischen Perspektive zu erzählen.

So zügig das Ganze beginnt, rutscht es zwischendurch mal ins arg Dramatische ab. Vor allem Lisas «Männergeschichten» mit ihrem Verlobten und einem Radiomoderator sind zuweilen etwas gar aufgesetzt geraten. Die Haupthandlung ist aber flott erzählt und unterhält bestens. Gegen Ende findet der Film sein Anfangstempo wieder und widersteht sogar einem verlogenen Happy End. Dort orientierte man sich offenbar an der Realität: Der echte Fall Käser ist nämlich auch noch hängig.

Daniel Däuber
*1966, hat in Zürich Filmwissenschaft studiert, unter anderem für die Schweizer Filmzeitschreiften Zoom und Film geschrieben und arbeitet zurzeit als Filmredaktor beim Schweizer Fernsehen.
(Stand: 2011)
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