LAURA DANIEL

CIRCUIT MARINE (ISABELLE FAVEZ)

SELECTION CINEMA

Wie bereits in ihrem Kurzfilm Les voltigeurs (2002) wählt Isabelle Favez für ihren neusten Animationsfilm die Thematik des Fressenund-Gefressenwerdens. Lieferten sich in Les voltigeurs ein Vogelpaar, das eine Raupe adoptiert, und eine Katze einen Showdown, spielt Circuit marine, wie der Name schon verrät, auf hoher See.

Die Katze ist wieder mit dabei, diesmal als Schiffskätzchen eines Piratenkapitäns. Dieser hat ein Herz für Tiere, besonders die Fische haben es ihm angetan. Sowohl seine Katze als auch der Papagei teilen diese Vorliebe, freilich aus anderen Gründen. Die Piratenmeute und das Kätzchen frönen einem Ritual, das sich wie folgt abspielt: Wird etwas Essbares, sprich Fisch, gefangen, verköstigen sich zuerst die Piraten mit den rohen Meertieren, worauf sie sich einen Spass daraus machen, die Katze mit den übrig gebliebenen Gräten zu attackieren. Diese darf dann noch die Reste fressen und die Fischgräte sauberlecken. Die Nächsten in der Hackordnung sind die Bordfliegen, die sich nach der Katze auf die Überreste stürzen. So weit, so gut. Als der Kapitän aber eines Tages einen ganz besonders schönen Fisch fängt, wird das Szenario um einen Schritt erweitert. Ab nun werden die Fliegen während des Essens von der Katze mit einem Prankenschlag erlegt und fein säuberlich, eine nach der anderen, dem schönen Fisch im Kugelglas verfüttert. Als der Fisch eine gewisse Feistheit erreicht, wartet die Katze einen besonders hohen Seegang ab, um das Fischglas vom Tisch fallen zu lassen. Gierig stürzt sie sich auf den Fisch. Als der Kapitän vom Hinschied seines geliebten Fisches erfährt, stürzt er sich, ausser sich vor Wut, auf die Katze und rächt den Fisch. Die beiden Tiere werden neben dem bereits an der Wand hängenden Papagei – er hatte es gewagt, der Katze in die Quere zu kommen – in Form von Porträts in der Kapitänskombüse verewigt.

In gewohnt expressiver Manier geizt Favez nicht mit Farben und schrillen Geräuschen auf der Tonspur. Die Figuren sind etwas skurriler geraten als die blauen Vögel in Les voltigeurs. Auch arbeitet Favez dieses Mal stärker mit Mustern und matten Farben, aus denen sie das Szenario an Bord entwirft. Im Gegensatz dazu war Les voltigeurs in klareren, schlichteren Formen gehalten. Für Circuit marine verwendete sie 2-D-Computertechnik und fügte aus Papier ausgeschnittene Figuren in einen haben die Musik zu dem kleinen Kammerstück beigesteuert und treffen den Ton der kleinen Satire bestens, indem sie Zigeunermusik mit Zirkusmusik mischen. Circuit marine entstand in einer Koproduktion von Folimage mit dem Canadian Film Board und wurde anlässlich der Solothurner Filmtage mit dem Publikumspreis belohnt.

Laura Daniel
geb. 1978, studiert an der Universität Zürich Germanistik, Film­wissenschaft und Philosophie sowie klassischen Gesang, zeitgenössische Musik und Jazz. Mitglied der CINEM A-Redaktion seit 2002. Lebt in Zürich. Daniel Däuber, geb. 1966, hat in Zürich Filmwissenschaft studiert, u.a. für die Schweizer Filmzeitschriften Zoom und Film geschrieben, arbeitet zurzeit als Filmredaktor beim Schweizer Fernsehen.
(Stand: 2018)
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