Mit seiner Abschlussarbeit an der HGKZ präsentiert Ralph Etter ein erstaunlich reifes Werk: schnörkellos, abgerundet, schön. Wackelkontakt hat auch beim deutschen Nachwuchspreis First Steps 2004 in Berlin überzeugt und den ersten Preis in der Kategorie Kurz- und Animationsfilme bis 25 Minuten gewonnen. Aussergewöhnlich ist nicht nur die Qualität dieses Kleinods von Film, sondern auch die Tatsache, dass er als Koproduktion mit der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) Potsdam-Babelsberg entstand. Sowohl die Kamerafrau Ulrike Thiele als auch die Produktionsleiterin Christine Haupt beendeten mit dieser Zusammenarbeit ihre Ausbildung.
Die Geschichte wird mit wenigen Worten, dafür in umso poetischeren, warmtonigen Bildern erzählt: Zwei verwaiste Geschwister bewohnen mit ihrer Grossmutter ein Bauernhaus auf einem Hügel am Dorfrand. Dieser Standort verweist auf die gesellschaftliche Position der Familie – sie ist nicht integriert, hat eine Aussenseiterrolle inne. Darunter leidet die zehnjährige, rothaarige Sibylle: Ihre Mitschüler schneiden sie; in der Pause steht sie abseits, allein. Ihre Einsamkeit vertraut das Mädchen dem Tagebuch an, ebenso die Gefühle für den gleichaltrigen Peter oder die Sorge um die immer vergesslicher werdende Grossmutter. Denn ausser um Ausgrenzung und den Verlust der Kindheit geht es in Wackelkontakt auch um Altersdemenz.
Sibylles Unbeliebtheit gründet nämlich auf dem beschämenden Auftritt der Grossmutter. Diese holt ihre Enkelin täglich vom Postauto ab – im rosaroten Morgenmantel. Während der jüngere Bruder das ungeschickte Benehmen der verwirrten alten Frau am Tisch nachäfft, weiss sich Sibylle irgendwann nicht mehr anders zu helfen, als «s’Grosi» ins Hühnergehege zu sperren und an den Bettpfosten zu ketten. Diesem unmenschlichen Gewaltakt, gleichzeitig Ausdruck von Überforderung und Verzweiflung, werden zärtliche Momente entgegengesetzt, etwa wenn Sibylle das faltige Gesicht der Grossmutter streichelt. Als Zuschauerin ist man hin- und hergerissen zwischen Entsetzen und Mitgefühl. Am Ende wird die Grossmutter in ein Pflegeheim gebracht; Sibylle und ihr Bruder blicken einer ungewissen Zukunft bei einer Pflegefamilie entgegen.
Seine Intensität verdankt der einfühlsam inszenierte Wackelkontakt nicht zuletzt den schauspielerischen Leistungen von Chloé Braunschweiger (Sibylle) und Stephanie Glaser (Grossmutter) sowie der traurig-schönen Musik – einem karg klingenden Streicherquartett und einem sanft klagenden Song im Abspann und in der letzten Einstellung, die Sibylle auf dem Rücksitz des Autos zeigt, das sie und ihren Bruder wegbringt aus ihrem Heimatdorf.