Potsdam, 1747: Der greise Johann Sebastian Bach fährt in einer ruckeligen Kutsche über Feld und Wiesen zur Taufe seines Enkels und jüngsten «Strümpelchens» der Bach-Dynastie. Gleichzeitig liegt der junge preussische König Friedrich – launig und musikbesessen – unter den Schröpfgläsern, deren Klang ihn zu einem kleinen musikalischen Thema inspiriert. Als der König von der Ankunft des Komponisten erfährt, fordert er ihn heraus und verlangt von ihm – vom Tonmotiv ausgehend – eine sechsstimmige Fuge. Bach ist hinund hergerissen: Einerseits will er sich keinem Potentaten mehr verpflichten; andererseits lässt ihn die verführerische Melodie nicht mehr los. In der Woche seines Aufenthalts entsteht nicht nur sein Werk Das musikalische Opfer – in einer Art Dominoeffekt treten verborgene Ambitionen und Frustrationen an die Oberfläche und lassen ein faszinierendes Drama entstehen.
Ausgehend von einer historisch verbürgten Tatsache – der Begegnung zwischen dem Maestro und dem den schönen Künsten zugewandten Friedrich dem Grossen –, lässt uns Dominique de Rivaz in die Zeit des Barocks eintauchen. Jegliche Bedenken seien ausgeräumt: Die Regisseurin, die schon mit ihrem aussergewöhnlichen Kurzfilm Jour de bain (1994) auf sich aufmerksam machte, liefert keinen «Kostümfilm» in ungeknitterter Hochglanzästhetik, sondern ein kleines, synästhetisches Schmuckstück an geschichtlicher Aufarbeitung und Fiktion (Szenenbild: Lothar Holler). Das schummrige Dunkel der Nacht, erleuchtet einzig von den dumpfen Lichtpunkten der Kerzen, der Schweiss, die gepuderten, teils zotteligen Perücken, die Kleider, die sich mit dem Schmutz der Strassen voll saugen, der Klang der Musik, die – noch unkonservierbar – ein kostbares Privileg der wenigen Begabten und Begüterten war: All dies lässt sich in Mein Name ist Bach sinnlich nachempfinden.
Und damit nicht genug: Er lässt uns die Tragik des grossen Musikers nachvollziehen, der mit dem Verdikt leben muss, bald zu erblinden. Er führt aus, was es heisst, als Bachs Sohn im Schatten des grossen Vaters zu leben: sei es Friedemann – dem ersten unabhängigen Musiker der Neuzeit – oder Emanuel, der mit Frau und Kind eine gesicherte Stellung am Hof vorzieht. Mein Name ist Bach lässt aber auch das Drama eines Königs auferstehen, der vom autoritären Vater kujoniert wurde und nun seine Umgebung tyrannisiert – seien es seine männlichen Liebhaber oder die freiheitsliebende Schwester.
All dies inszeniert Rivaz mit erstaunlicher Leichtigkeit und feinem Humor. Dieser findet sich auch in den Kostüminterpretationen Vivienne Westwoods wieder. Oder in den amüsanten Abstechern ins Experimentelle: etwa wenn Friedrich und Bach mit dem Dromedar durch eine Dünenlandschaft reiten, wenn ein grossformatiges Bühnenbild mitten in der Wiese das neu erbaute Schloss Sanssouci zeigt oder wenn König und Musiker sich auf einem Dachboden bei einer Jamsession vergnügen (Musik: Frédéric Devreese) – libertäre Verfremdungen, die den historischen Stoff zu einem Leckerbissen machen.