In einer kritischen Würdigung des Fernsehfilms Haus ohne Fenster muss als Erstes die schauspielerische Leistung von Esther Gemsch erwähnt werden. Die als ehrgeizige Witwe Lisbeth Rohner aus der Schweizer Schoggi-Soap Lüthi und Blanc bekannte Actrice spielt hier ihre erste Hauptrolle mit Bravour und Überzeugungskraft. Dabei ist die Figur der einst selbstsicheren Renate, die Hilfe bei einem betrügerischen Therapeuten sucht und plötzlich nahe am psychischen Abgrund steht, sicher nicht einfach darzustellen. Auch die Nebenrollen in Peter Reichenbachs Psychoanalysedrama sind äusserst originell besetzt: Neben Esther Gemsch sind darin Robert Hunger-Bühler von Marthalers Schauspielhaus-Ensemble als schmieriger Therapeut, Karin Baal, Star des deutschen Nachkriegsfilms, als Renates hilflose Mutter und Max Bertsch, Kriminalkommissar aus der RTL-Serie Im Namen des Gesetzes, als Renates ExFreund zu sehen.
Die Geschichte verbindet die Probleme der Übertragungsliebe mit denjenigen des psychotherapeutischen Missbrauchs und wandelt sich schliesslich zum regelrechten Gerechtigkeitsund Befreiungsdrama. Die erfolgreiche Unternehmerin Renate Schaller kommt nicht über den Suizid ihrer Schwester Franziska hinweg. Als auch noch ihre Beziehung in die Brüche geht, wendet sie sich an Franziskas ehemaligen Therapeuten Sebastian Frey und meint dort den Trost zu finden, den sie gesucht hat. Die emotionale Abhängigkeit wandelt sich zur vermeintlichen Liebe, doch die Regeln des Arzt-Patientin-Verhältnisses werden verletzt, als sich Frey auf ein sexuelles Abenteuer mit ihr einlässt. Renates Liebe steigert sich zur Obsession. Als sie entdeckt, dass Frey auch mit anderen Patientinnen intimen Umgang pflegt, stürzt sie in eine tiefe Krise und in eine lebensgefährliche Depression, von der sie sich in einer Klinik langsam erholt. Nur zögerlich kann sie sich aus ihrer Abhängigkeit befreien und sich von ihrer Phantasiewelt verabschieden. Aus Franziskas Abschiedsbrief, den ihr die Mutter schliesslich zeigt, erfährt sie, dass auch ihre Schwester in Frey verliebt war. Und nun schafft sie es, sich aufzuraffen und gegen den missbräuchlichen Therapeuten vorzugehen.
Die Drehbuchautorin Christa Capaul und der Regisseur Peter Reichenbach haben sich für einen Fernsehfilm einen reichlich komplexen und schweren Stoff vorgenommen. Und so bleibt schliesslich auch das Gefühl, dass in Haus ohne Fenster zu viel Drama in 90 Minuten verpackt werden wollte. Die Geschichte ist jedoch elegant und zügig inszeniert. Reichenbach ist Mitbegründer von CFilms und war jahrelang als Produzent tätig, bevor er 1999 mit dem TV-Movie Das Mädchen aus der Fremde als Regisseur debütierte. Auch dieses wurde schon von Christa Capaul mitverfasst, die auch das Buch von Stefan Haupts Fernsehfilm Moritz (2003) schrieb. C-Films produziert ebenfalls die TV-Soap Lüthi und Blanc und realisierte in der Reihe «Fernsehfilm SF DRS» bereits das Drama Tod durch Entlassung und die beiden Komödien Big Deal und Füür oder Flamme.