1942 machte sich ein Sonderzug mit 250 Schweizer Ärzten, Krankenschwestern und Rettungshelfern auf den Weg an die Ostfront. Die sich freiwillig Gemeldeten glaubten, an einer rein humanitären Aktion des Roten Kreuzes teilzunehmen. In Russland angekommen, mussten sie realisieren, dass ihre Mission in Wahrheit eine diplomatische Geste gegenüber dem Naziregime war. Obwohl ihnen in der Schweiz versichert worden war, es gelte PatientInnen aus beiden Lagern, sowohl Russen als auch Deutsche, zu behandeln, durften sie sich, an der Front angekommen, nur um die Deutschen kümmern. Befolgten sie diese Anweisungen nicht, wurden sie gemassregelt.
Frédéric Gonseth besuchte die Überlebenden dieser Mission und befragte sie zu ihren Erlebnissen an der Front. Erstaunlicherweise haben fast alle der Befragten ihre Erfahrungen genaustens dokumentiert. Die meisten führten Tagebuch, einige brachten sogar Fotos und Filmaufnahmen heim. Zusammengesetzt aus Talking-Head-Aufnahmen aus den Interviews und Archivmaterial, führt Gonseths Film zurück in ein dunkles Kapitel der europäischen Geschichte und offenbart damit die schier unglaublichen Grausamkeiten dieses Krieges. Auch wenn die gezeigten Bilder die erzählten Erfahrungen der MedizinerInnen widerspiegeln – die Ärzte berichten, wie sie tagein, tagaus aufgrund der begrenzten Zeit und Mittel oft nur Beine amputieren mussten –, muten sie zum Teil etwas gar reisserisch an, wenn z. B. durch einen musikalischen Spannungsbogen dann tatsächlich eine Beinamputation eingeführt wird und die ZuschauerInnen die ganze Prozedur mitansehen müssen.
Einige der Befragten berichten von Konzentrations- und Gefangenenlagern; ihre Erzählungen über das Gesehene sind nur schwer zu ertragen. Eindrücklich ist, wie viele der Befragten bis zu den Dreharbeiten mit niemandem über ihre Erlebnisse gesprochen hatten – beim Interview mit Gonseth sprudelt es nur noch so aus ihnen heraus, als müssten sie sich diese Last endlich von der Seele reden.
Sowohl Erzählungen als auch Bilder von der Front hinterlassen einen grossen Eindruck, es sind aber jene Szenen, in denen einige von ihrer Rückkehr in die Schweiz erzählen, und was ihnen hier widerfahren ist, welche haften bleiben: wie jener Arzt, dem die Lizenz entzogen wurde, weil er nicht aufhören wollte, die Schweizer Bevölkerung mit Diavorträgen über die Konzentrationslager zu informieren. Diejenigen, die sich an die Schweizer Regierung wandten, wurden trotz Fotos und genauesten Dokumentationen mit dem Kommentar abgespiesen, diese Geschichten seien nicht glaubwürdig.
Vor Wut und Entsetzen kommen einem Waadtländer Arzt noch heute die Tränen, wenn er von dem zu Ehren ihrer Rückkehr veranstalteten Bankett spricht, an dem jeder/jede neben einer prominenten politischen Persönlichkeit sitzen durfte: Sein Banknachbar wusste ihm nichts Besseres zu erzählen, als wie schrecklich die Butterknappheit in Bern doch sei.
Mission en enfer ist eine äusserst sehenswerte, zugleich packende als auch erschütternde Dokumentation über die Widersprüche der Schweizer Politik im Zweiten Weltkrieg.