Eine «Innerschweizer Saga» nennt Luke Gasser Fremds Land – ein Historiendrama wie bereits sein Debütfilm Baschis Vergeltung (2000). Der Regisseur – der auch für Drehbuch, Musik und Koproduktion zuständig war und selbst die Hauptrolle spielt – arbeitete mit derselben Crew, vor allem denselben «Charaktergrind», die schon in seinem Erstling für authentisches Kolorit sorgten.
Fremds Land beginnt mit einer dünnen Rahmengeschichte, in der eine junge Frau auf ein Bündel Briefe und die Bleistiftskizze eines Trappers stösst und damit eine Reise in die Vergangenheit initiiert. Die Lektüre der Briefschaft lässt die illustre Geschichte des Innerschweizer Knechts David (Luke Gasser) lebendig werden. Dieser wird um 1810 für die Truppen Napoleons zwangsrekrutiert und desertiert während des Russlandfeldzugs. Zurück in seiner Heimat, findet er seine Liebste anderweitig liiert, und im Dorf etablieren sich nach dem frischen Wind der Französischen Revolution wieder die alten Machtverhältnisse: Knecht soll Knecht bleiben, wettert der Pfarrer von der Kanzel. David wird bei der Wilderei ertappt und erschiesst einen Widersacher. Damit ist definitiv der Zeitpunkt für die Auswanderung gekommen, mit der er schon seit geraumer Zeit liebäugelt. In Amerika wird er zum freien Mann und zum Trapper – nicht ohne sich hie und da mit Wehmut der Heimat zu erinnern.
Mit viel sozialhistorischer Kenntnis hat Gasser in dieser fiktionalen Biografie versucht, zwei grossen Ereignissen der Schweizer Geschichte – Beresina und der Emigrationswelle nach Amerika – ein Gesicht zu geben. Nur: Hierzulande müssen solche aufwändigen Zeitreisen immer etwas einfacher gestrickt werden – was bei Gassers Lowbudget-Produktion leider nur allzu häufig sichtbar wird. Da stapfen zwei Bilderbuchsöldner durch die verschneiten Innerschweizer Wälder und tun so, als wären sie in der russischen Steppe. Da wird mit viel pyrotechnischem Aufwand eine Schlacht inszeniert, die im Effekt verhallt. Da wird viel theatralisch erzählt und wenig Atmosphärisches geschaffen.
Sicher spürt man in jedem Pixel des auf Video gedrehten und auf 35 mm gefazten Films den Enthusiasmus der Mitwirkenden, und sicher gibt es auch Gelungenes – vereinzelte darstellerische Leistungen oder mitunter das Zusammenfügen von Bild und Musik. Doch zu oft – vor allem wenn die Landschaft ins Spiel kommt – agieren die Figuren wie vor einer grossen, spannungslosen Kulisse. Die heimatliche Natur und Bergwelt verweigert den erhofften symbolischen Mehrwert. Daran ändert auch der Setting-Wechsel nach Amerika nichts: Trapper David steht ebenso verloren in der legendären Wildwest-Einöde wie die Vorzeige-Indianer, die seinen Weg kreuzen. Überhaupt wirkt die amerikanische Episode wie ein blasser, zu lang geratener Epilog nach dem Action-reichen, mit Flashbacks unterlegten und verschachtelten Hauptteil des Films. So bleibts beim (wenn auch ehrenvollen) Versuch, dem grossen Gestus des Historienfilms mit kleinen Mitteln auf den Leib zu rücken.