Wenn wir es nicht schon wüssten – Mais im Bundeshuus öffnete uns definitiv die Augen: Die Politik ist kein Quell der Lauterkeit, die Politiker keine Waisenknaben. Hohe Ziele ringen da mit knallharten Eigeninteressen. Ethische Grundsätze messen sich mit wirtschaftlicher Profitgier. Ein Spiel mit Fouls und Handicaps, mit Solovorstössen und Defensivblockaden, mit Überraschungsangriffen und Zufallstreffern. Vorzugsweise glauben wir, dass unsere kleine Modelldemokratie frei von solchen Mauscheleien sei. Doch nun hat Jean-Stéphane Bron den eidgenössischen Parlamentsalltag unter die Lupe genommen und gibt an einem Beispiel ernüchternden Einblick.
Das Zentrum von Mais im Bundeshuus – der «Mais» steht dialektal für «Aufruhr, Lärm», aber auch für die gentechnisch veränderte Pflanze par excellence – bildet eine parlamentarische Kommission, die sich über ein Jahr lang der gesetzlichen Reglementierung der Gentechnologie annimmt: der berühmtberüchtigten Gen-Lex. Bron verzichtet auf Aktenstudium und trockene Faktenvermittlung – und weil die Verhandlungen hinter geschlossener Tür stattfinden, bleibt ihm (und uns) auch die hoh(l)e Politrhetorik erspart. Die Kamera steht vor der ominösen Tür mit dem Schild «Kommission – darf nicht gestört werden», wo Bron geduldig auf die Rauchund Kaffeepausen, auf die Zeiten vor und nach den Sitzungen wartet. Dann also, wenn die VolksvertreterInnen Dampf ablassen, der Kamera insgeheim den nächsten Schachzug anvertrauen oder wortlos ihrer Enttäuschung in tiefen Zügen an der Zigarette Ausdruck verleihen. Da werden jovial Schultern geklopft, Bündnisse mit Augenzwinkern besiegelt, Resultate via Handy erörtert, Köpfe zusammengesteckt und Strategien ersonnen. Da schliessen Freund und Feind kurzfristige Bündnisse, da wird Druck ausgeübt und werden Ideologien über Bord gekippt.
Die «Helden» dieser Politposse sind die grüne Biobäurin Maya Graf, der Wissenschaftler Jacques Neirinck (CVP), die rote Gemeindepräsidentin Liliane Chappuis, der SVPler und Bauer Sepp Kunz sowie der eng mit der Pharmaindustrie liierte Johannes Randegger (FDP). Es ist unglaublich, was Bron mittels der kleinen Interaktionen dieser Figuren über das Funktionieren von Politik vermitteln kann. Unvoreingenommen, mit wachem Blick für die kleinen Gesten und offenem Ohr für die geheimsten Gedanken der PolitikerInnen verweist er augenzwinkernd auf die grossen Zusammenhänge – ein Können, das er auch schon in seinem amüsanten Film über eine Autofahrschule (La bonne conduite, 1999) unter Beweis stellte. Die in Mais im Bundeshuus geschickt eingeflochtenen musikalischen Bezüge zum Italowestern (Musik: Christian Garcia) bauen nebst der verhandlungstechnischen Suspense eine subtile Klimax bis zur Abstimmung im Plenum auf. Hier wird uns ein Showdown in 32 Artikeln geboten, der so manchem Krimi an Spannung und unvorhersehbaren Wendungen das Wasser reichen kann.