Veuves Hommage an Marktverkäuferinnen verschiedenster Couleur beginnt mit dem Rückblick einer Ich-Erzählerin auf eine Zeit, als Bäuerinnen noch mit ihren Holzwagen auf dem Dorfplatz Gemüse, Obst und Eier feilboten. Der Film schlägt nach dieser Einleitung einen Bogen zu den Verhältnissen heute, am Beispiel des Markts von Vevey. Man taucht ein in die Ansammlung von Marktständen, wird hingeleitet zu einzelnen und vertraut gemacht mit den Personen, die dahinter stehen.
Da ist etwa die 90-jährige Gemüseverkäuferin mit ihrem Sohn - einem Garagisten -, der ihr hilft und sie Woche für Woche auf den Markt begleitet. Eine Fischverkäuferin erzählt, wie es für sie selbstverständlich war, die Familientradition weiterzuführen und mit ihrem Mann auch bei widrigen Witterungsverhältnissen die immer kleiner werdenden Fischgründe «abzuernten». Mit Schmunzeln konstatiert man, wie sie bei den Verkaufsgesprächen so richtig auflebt. Anderen, verbal weniger beschlagenen Anbietern - etwa der Bäuerin, die es aus dem Zürcherischen in die Romandie verschlagen hat - kommt Veuves unaufdringlicher Porträtierungsstil entgegen. Sie begleitet sämtliche Standinhaber nach Hause und beobachtet sie bei den Vorbereitungen - dem Backen, Ernten, Verladen oder Organisieren -, um dann mit ihnen wieder auf den Marktplatz zurückzukehren. Dort wird Auskunft gegeben, beraten, verhandelt, angebotcn, mit anderen Standinhabern geplaudert - was oft als Überleitung zum nächsten Porträt dient.
Bei der Schwarzafrikanerin Malou betreibt Veuve konsequent die Bebilderung deren «Hintergrunds»: Die Kamera begleitet Malou zuerst ins schweizerische Zuhause und wechselt dann während eines Telefonats mit Familienangehörigen zu diesen nach Kamerun, wo Malou wöchentlich Obst und Gemüse bestellt. Der genau beobachtende Erzählstil beschreibt aber nicht bloss die Produktionsbedingungen der verkauften Produkte, sondern enthüllt auch das eine oder andere interessante Hobby ihrer Hersteller. So züchtet die Geflügelproduzentin Bernhardiner, der Gemüsebauer ist ein begeisterter Sänger. Aufgezeigt werden aber auch die Schwierigkeiten einheimischer Produktion, die gegen die Tiefpreise von (meist ausländischen) Grossanbietern fast keine Chance mehr haben. Noch in einer anderen Hinsicht funktioniert Veuves Dokumentation als Bcwusstmachung: Sie zeigt den «natürlichen» Herstellungsweg von Vakuumverpacktem im Supermarkt auf, ohne dass einem dabei schlecht werden muss: Wenn dem Hasen buchstäblich das Fell über die Ohren gezogen, das Huhn geköpft und der Fisch über die Bootskante geschlagen wird.
Obschon sich so absehbar eine Existenz an die nächste reiht, kommt nie das Gefühl von mechanischem Abspulen auf. Dazu mögen auch die geschickte Einbettung in den Jahreslauf und der spezielle «marché folklorique» als Höhepunkt beitragen. Wohl das schlagendste Qualitätsurteil: Man bekommt unweigerlich Lust auf einen Marktbesuch.