Das Leben des Jagdpiloten Franz von Werra ist so schillernd und spektakulär, dass eine Dokumentation darüber fast zwangsläufig zum Roman wird. Und romanhaft ist praktisch alles in dieser Biografie, die schon im Buch The One That Got Away von James Leaser und im gleichnamigen englischen Spielfilm von Roy Baker (1957) verewigt wurde, bevor nun Werner Schweizer in Von Werra das historische Original porträtiert.
Das Schicksal des verwegenen und charmanten Sohns eines verarmten Walliser Adelsgeschlechts, der in Nazi-Deutschland als Nationalheld und in den USA als Abenteurer gefeiert wurde, ist freilich nur ein - wenn auch zentraler - Aspekt des Films. Werner Schweizer bettet Franz von Werra in sein ständig wechselndes Umfeld und orchestriert um einen emotionalen Kern - den lebenslangen intensiven Briefwechsel zwischen von Werra und seiner Schwester Emmy - einen ganzen Komplex von Themen: Die Jugendzeit auf einem süddeutschen Schloss, die geheimnisvolle Herkunft des Geschwisterpaars, der Aufstieg zum Fliegerhelden, seine mehrmalige Flucht aus englischer Gefangenschaft, die triumphale Rückkehr nach Nazi-Deutschland und schliesslich das stille, zurückgezogene Leben der Schwester nach seinem mysteriösen Tod vereint Von Werra zu einem dichten, überaus vielschichtigen Ganzen.
Die ausführlichen Zitate aus dem Spielfilm The One That Got Away wirken dabei als visuelle, die Briefe der Geschwister Von Werra als akustische Leitmotive. Fiktion und Dokumentation sind ineinander verzahnt - wie schon in Schweizers früheren Arbeiten. Zeitzeugen werden partiell in Schwarzweisssequenzen des Spielfilms eingeblendet und unterstreichen seine Authentizität. Der Hauptdarsteller Hardy Krüger, der mit seinem körperbetonten, beiläufigen Stil durch diesen Film zu einer Art europäischem James Dean wurde, entwickelt sich im Laufe des Films immer mehr zum Alter Ego Franz von Werras.
Erzählerisch gekonnt, wechselt Werner Schweizer die Zeitebenen und Erzählstränge, zeigt beiläufig viele Querbezüge auf und geht mit der Fülle des Dargestellten mitunter an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit des Publikums. Schweizer interessiert sich für den Betreiber einer Webpage über Von Werra oder für das Leben Hardy Krügers genauso wie für die Rezeption des Spielfilms. Die Fülle des Materials lässt zuweilen die Gewichtung aus dem Lot geraten. Hardy Krüger ist eine Spur zu prominent in Szene gesetzt und macht Von Werra mitunter gar Konkurrenz.
Die Herausforderung, nach dem Tod Von Werras - etwa nach zwei Dritteln des Films - den erzählerischen Bogen gespannt zu halten, gelingt weit gehend, wenn auch die Intensität gegen Ende nachlässt. Wie schon in Dynamit am Simplon (1989) und Noel Field - der erfundene Spion (1996) zeigt Schweizer eine gute Nase für packende historische Stoffe und eine Affinität für deren opulente «Faktion», der man - inspiriert das Kino verlassend - gerne einige thematische Mäander zu viel verzeiht.