Der Zustand von Spätpubertierenden auf der Suche nach sich selbst, nach Sinn und nach Zukunft ist schon oft auf Zelluloid gebannt worden - von der Teenagerkomödie bis zum Selbstmorddrama. Viele dieser Werke sprechen bewusst ein junges Publikum an und sind für ältere Semester, besonders solche mit einem schlechten Gedächtnis, schwer verständlich, da sie oft bloss noch Kitsch, Verklärung und eine unmögliche Sprache darin finden. Andere wiederum schlagen eine tiefe Kluft zwischen Porträtierten und Filmautoren. In seinem ersten Langspielfilm nun gelingt es Oliver Rihs auf wundersame Weise, eine Brücke zu schlagen: Sein Porträt zweier Jugendlicher ist vielschichtig lesbar - nähert sich der Dialog dem Kitsch, schimmert leichte Ironie durch, die aber nie boshaft ist. Die Charaktere werden immer ernst genommen, aber nie auf verbissene Weise.
Lili büxt mit ihrem Freund Andi, ihrem «Brombeerchen», aus, um dem deutschen Weihnachtsmief unter der südspanischen Sonne zu entgehen. Bevor aber das Roadmovie richtig beginnen kann, klaut eine Gruppe Chinesen (mit einem von Pascal Ulli gespielten Europäer im Schlepptau) das Auto, und das Paar strandet in einem Hotel. Dort macht sich der Mittdreissiger Sylvester an Lili heran: Er will noch einmal Sex, bevor er sterben muss. Lili lehnt ab; aber sie und Andi folgen Sylvester in eine leere Villa, die für Lili dem Vergleich zu Soaps standhält: «Es ist so schön wie bei Krystle und Blake Carrington.» Es beginnen Tage der Verführung und Angst zwischen Ecstasy-High und Ernüchterung angesichts der als Geiseln gehaltenen Hausbesitzer. Andi spielt immer seltener Krieg und sucht stattdessen nach dem Geheimnis der Liebe; Lili will ein wahres Märchen erfinden, das von Glück erzählt, Sylvester suhlt sich - den vermeintlichen Tod vor Augen – im Selbstmitleid. Aufgelockert wird das Drama immer wieder von absurden Szenen: etwa einem Weihnachtslieder singenden Mann im Supermarkt oder Polizisten, die Geschenke austauschen. Die teilweise Entrücktheit der Handlung wird durch die wunderschönen Aufnahmen (Kamera: Felix von Muralt) unterstrichen, die satte, warme Farben zeigen.
Gerade dass der Film einen ratlos darüber lässt, inwieweit er dem Jugendkult und der Idealisierung von so genannten Lebensweisheiten huldigt und inwiefern es sich um eine Demontage derselben handelt, ist seine Stärke. Irritiert und angeregt verlässt man das Kino, um sich mit gemischten Gefühlen zu erinnern an eine Zeit voller Märchen und Krieg.