PATRICK STRAUMANN

GAMBLING, GODS AND LSD (PETER METTLER)

SELECTION CINEMA

Gambling, Gods and LSD ist der sechste abend­füllende Film des Kanadaschweizers Peter Mettler, der neben seiner Praxis als Filme­macher auch schon für Bruce McDonald und Atom Egoyan die Kamera führte. In seinem Anspruch, metaphysische Rituale ästhetisch darzustellen, situiert sich der Film willentlich auf der Trennlinie zwischen Fiktion und Doku­mentation. Wie Mettlers frühere Arbeiten je­doch lässt sich auch diese Produktion als Ver­such qualifizieren, «Unsichtbares sichtbar zu machen». Tatsächlich scheint dieses Credo - es lieferte auch den Titel zu einer Publikation, die Mettler 1995 gewidmet wurde - die Thematik von Gambling, Gods and LSD vorauszuneh­men: Der Film versteht sich als gross angelegte, die Kontinente überschreitende Untersuchung der Transzendenz.

Gambling, Gods and LSD beginnt in To­ronto, wo sich Mettler mit einem Freund über dessen Drogensucht unterhält; dazwischen­geschnitten sind Bilder der Flughafenpiste so­wie Aufnahmen von den Bildschirmen der Fluglotsen, von Kabelsträngen und von Flug­zeugen. Dasselbe Prinzip - die Konfrontation von Gesprächen mit illustrativen und assoziati­ven Einstellungen - prägt auch die folgenden Sequenzen, die jeweils in Nevada, in der Schweiz und in Indien aufgenommen wurden. Das Fazit, das der Regisseur aus seinen Ge­sprächen zieht, stützt das Postulat des Films nach globaler Geltung: «Je weiter ich reise, umso deutlicher erkenne ich Ähnlichkeiten - dieselben Wünsche, Gesten, Fragen.»

Die spirituellen Erfahrungen, in welche die lose zusammenhängenden Szenen Einblick geben, sind indessen unterschiedlich. Erstaun­licherweise erweisen sich jene Sequenzen am stärksten, die den metaphysischen Anspruch mit der Banalität des Alltags kollidieren lassen wie beispielsweise das Porträt einer jungen Frau, die sich in Las Vegas mittels eines apo­kalyptischen Apparats, der direkt aus Kafkas Strafkolonie zu stammen scheint, ihr «eroti­sches Potenzial» messen lassen will.

Eine weitere Qualität des Films liegt in sei­ner sorgfältig claborierten Struktur, die ihm seine fragile, aber überzeugende Form verleiht. Unverhoffte Unterstützung findet diese assoziative Verkettung von Fragmenten in den Sät­zen jenes Zürcher Biochemikers, den seine For­schungsergebnisse zur Überzeugung gebracht haben, dass sich «lebende Organismen via Zell­materialaustausch genetisch auch horizontal» beeinflussen könnten: Diese ebenfalls von Cro­nenberg formulierte Idee - die wechselseitige Kontamination von a priori unabhängigen Organismen - illustriert Mettler wiederum mit Aufnahmen von Bächen, Rinnsalen und Flüs­sen, die im Film wiederholt auftauchen.

Auch wenn der Film ästhetisch und kon­zeptuell gelungen ist, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass er seinem innersten An­spruch - der Visualisierung der Transzendenz - nicht immer genügen kann. Gerade wenn die Bildsprache an Präzision verliert, macht sich der Verzicht auf den sprachlichen Ausdruck bemerkbar: Dies wird zumal in der letzten Szene des Films deutlich, deren visuelle Schön­heit mit ihrer verbalen Unschärfe kontrastiert: «Es geht um das Leben der Menschen», um­reisst Mettler im Off seinen Film, «es geht um den Zustand der Menschen.»

Patrick Straumann
geb. 1964, studierte Filmwissenschaft, arbeitet als freier Filmjournalist, lebt in Paris.
(Stand: 2018)
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