Wer kennt es nicht, das kleine Berner Chanson Bim Coiffeur, das das metaphysische Gruseln vor dem Spiegelkorridor im Friseurstuhl heraufbeschwört ? Oder das Lied vom Streichholz, das die Weltpolitik aus den Fugen geraten lässt (I han es Zündhölzli azündt) Oder den Dialog im Strandbad, wo über «mini und dini Bikini» gekalauert wird? Auch den «Nachgeborenen» dürften die schmucken lyrischen Mundartlieder bekannt sein, haben doch Stephan Eicher (Hemmige), ZüriWest (Dr Alpeflug) oder Polo Hofer (Warum syt dir so truurig?) in den vergangenen Jahren die Kompositionen zu neuem Glanz und mitreissendem Drive erweckt.
Texte und Melodien des legendären Berner Chansonniers Mani Matter bestechen noch heute durch ihre Poesie, ihren Tiefsinn und Wortwitz. Umso mehr mag erstaunen, dass erst jetzt, dreissig Jahre nach seinem tragischen Tod im Jahr 1972, eine filmische Würdigung seiner Person entstanden ist. Wer war Mani Matter? Dieser Frage geht Friedrich Kappeier in Interviews mit Angehörigen sowie Freunden nach. Skizziert wird einerseits eine unspektakuläre Biografie: Matter, 1936 geboren, wuchs in angeregter Familienatmosphäre auf. Er wurde Jurist und gründete bald eine eigene Familie. Die Musik blieb Nebenbeschäftigung, auch als sich Anfang Sechzigerjahre der Erfolg einstellte. Aus dieser Zeit stammt - nebst Familienfilmsequenzen - eines der wenigen Filmdokumente: eine Konzertaufnahme des Schweizer Fernsehens. Seltsamerweise sind es gerade diese - der Sechzigerjahre-Fernsehästhetik verpflichteten - Schwarzweissaufnahmen, die treffend Zeit und Klima aufzeigen, in denen Mani Matters Lieder entstanden: Die steifen, in Gala gekleideten Gäste wollen nicht recht zum hemds- ärmligen Schalk des Troubadours passen. Dafür werden die Doppelsinnigkeiten der konzisen Chansons umso deutlicher, ihre aufmüpfige Ironie in einer verhaltenen, biederen Schweiz, die geprägt ist von Wohlstand und Regelkonformismus. Als amüsante, aber auch melancholische Aperçus machte Matter in seinen Liedern aus kleinen Alltagsbeobachtungen metaphorische Ereignisse, konstruierte eine Philosophie der kleinen Dinge und nahm die gesellschaftspolitischen Beben der Folgejahre vorweg.
Da nur wenig historisches Bildmaterial zur Verfügung stand, sind die Statements von Zeitgenossinnen als «Talking Heads» vorherrschend: von Franz Hohler, Urs Frauchiger, Jacob Stickelberger, von seiner Frau Joy Matter oder den nunmehr erwachsenen Kindern. Diese zeichnen das Bild eines charmanten, bescheidenen und grosszügigen Menschen. Und doch bleiben Mani Matter und sein Charisma irgendwie fern. Dies vermögen auch die atmosphärischen Aulnahmen des winterlichen Bern nicht zu kompensieren und auch nicht die - etwas bemühten - Bebilderungen der Liedinhalte. Am präsentesten ist Mani Matter wohl in seinen Chansons, und die sind im Film fast alle zu hören. Bis zu seinem melancholischsten Warum syt dir so truung?, das wie ein düsteres Omen wenige Zeit vor seinem tödlichen Autounfall im Schneegestöber entstand.