Max Frisch soll über seine Schweizer Landsleute gesagt haben, dass sie sich durch ihr Verschwinden auszeichnen. Und genau dies tut der geheimnisvolle Schweizer Aktionskünstler Kurt Vogelaug alias Birdseye (Stefan Kurt): Er verschwindet in den Weiten des Wilden Westens. Mit ungelösten Fällen kann aber der amerikanische Sheriff Nolan Sharpless (Fred Ward) nicht leben. Er setzt seinen ganzen detektivischen Scharfsinn ein, um dem Kriminellenpaar Heidi Logan und Trent Doone den Mord am Schweizer nachzuweisen. Doch wo ist Birdseyes Leiche? Und wie geht man mit einem Mordfall um, dessen vermeintliches Opfer längst als sehr lebendiger Mythos auferstanden ist? Aus ganz Colorado werden nämlich Begegnungen mit dem mittlerweile zu einer Art schweizerischem Robin Hood verklärten Künstler gemeldet. Aber die unscharfen Bilder der Überwachungskameras reichen Sharpless nicht als Beweis, dass Birdseye tatsächlich noch am Leben ist. Er wird suspendiert, doch mit Hilfe seines Sohnes Ben durchforstet er weiterhin Akten, überwacht Verdächtige, interviewt Zeugen, sichert Beweise und rekonstruiert das vermeintliche Verbrechen. Dauernd begleitet von einem Kamerateam, führt ihn seine Spurensuche sogar in die Schweiz.
Der Erstlingsfilm des amerikanisch-schweizerischen Regie-Duos Michael Huber und Stephen Beckner wurde zwar mehrheitlich in Colorado gedreht, ist aber ganz und gar eine Schweizer Produktion. Der transatlantische Krimi sprengt jedoch auch andere Grenzen: Birdseye wurde digital gefilmt und am Desktop bearbeitet. Fred Ward musste nicht eingeflogen werden, sitzt im Film aber trotzdem an der Limmat. So sparte man mit einem äusserst bescheidenen Budget clever Geld. Doch nicht nur formale, auch inhaltliche Gründe sprechen für die digitale Bildbearbeitung und den wilden Mix der Formate: Der Pseuo-Dokumentarfilm oder «Mockumentary» wirft die Frage auf, wieweit man den eigenen Augen trauen kann. Huber und Beckner spielen rasant mit klassischen Genre-Elementen und bekannten Motiven. Ihre Krimi- und Mediensatire strotzt vor witziger Zitierfreudigkeit. Alleine die eingespielten Aktionsvideos des fiktiven Schweizer Künstlers sind bemerkenswert. Und wo hat man schon gesehen, wie sich ein amerikanischer Sheriff mit Karl-May-Romanen in der Hand auf Spurensuche macht? Birdseye porträtiert den Detektiv als ewig Suchenden und umkreist einen medial auferstandenen Mythos: Birdseye als unsichtbares Zentrum der Aufmerksamkeit, was die Autoren auch als «JFK-Faktor» beschreiben. So spielt der Film sowohl mit amerikanischen als auch mit schweizerischen «Legenden». Folgerichtig treten Stefanie Glaser, Hanspeter Müller und Patty Böser auf, um ihre Vermutungen zum mysteriösen Kurt Vogelaug zu äussern. Dem verspielten, kurzweiligen, aber auch intelligenten Krimi Birdseye hätte man im Kino mehr Aufmerksamkeit gewünscht.