DORIS SENN

ZÜRIWEST - AM BLUES VORUS (ANNINA FURRER)

SELECTION CINEMA

ZüriWest gehörten mittlerweile zur Schweiz wie die Marroni zum Winter, meint Kuno Lau- ener in einem Interview. Tatsächlich rangiert die ihrem Namen zum Trotz aus Bern stam­mende «Mundart-Band» als feste Grösse in der Schweizer Pop-Musikszene. Lauener - laut Publikum der «geilste Berner auf der Musik­bühne» - ist seit ihren Anfängen vor zwei Jahrzehnten als Sänger und Texter dabei. Ihm, seiner Band und der Crew ist der abendfüllende Dokumentarfilm von Annina Furrer gewidmet.

Als Angel- und Ausgangspunkt für diese filmische Hommage diente der Neuaufbruch im Jahr 2000: Langjährige Mitglieder der Band schieden aus, neue kamen hinzu. Im vergange­nen Jahr erschien die erste CD in der neuen Formation - Radio zum Glück. Die darauf folgende Tournee liefert in Ausschnitten dem Film das On-the-road-Feeling, ohne ihn zu einem Roadmovie zu machen. Im Mittelpunkt steht Frontman Kuno Lauener: Mit typisch schweizerischem Understatement erzählt er vom Gestern und Heute, von Befindlichkeiten der Gruppe und seiner persönlichen Entwick­lung. Andere Bandmitglieder, Techniker und Manager - ehemalige wie neue - ergänzen mit ihren Erinnerungen und Zukunftsvisionen. Nebst diesem Stöbern im Seelenleben der Band gibt ZüriWest auch Einblicke in den Werdegang der Gruppe: mit Aufnahmen der verrucht-verrauchten Konzertauftritte in den Achtzigerjah­ren, als ZüriWest mit punkigem Rock-Sound als Szeneband ihre Auftritte hatten; oder mit Ausschnitten aus den frühen Fernsehinter­views, die in ihrer peinlich hölzernen Machart ein Stück Mediengeschichte dokumentieren; oder mit Eindrücken der Konzertatmosphäre aus der jüngsten Zeit, in denen das enthusiasti­sche Publikum - teils mitgewachsen, teils bis zu einer Generation j ünger - die Texte Wort für Wort mitzusingen vermag.

In den Neunzigern haben ZüriWest ihre rotzig-politischen Lieder der Anfänge zuneh­mend durch poetisch-melancholische Texte er­setzt - was mitunter die Abtrünnigkeit ein­gefleischter Fans zur Folge hatte und die Kritik einheimischer Musikjournalisten provozierte. Doch nach wie vor füllen ZüriWest das Zürcher Palais X-tra ebenso erfolgreich wie das Gross­zelt beim Mattenfest Eggiwil. Und dass der Er­folg an der deutsch-österreichischen Grenze abbricht, tragen sie mit Fassung: Die Sprach­barriere ist unerbittlich, aber nachvollziehbar.

Die vom Fernsehen herkommenden An­nina Furrer und Regula Begert (Drehbuch) haben mit ZürtWest - am Blues vorus diesen Schweizer Pop-Stars in einem dem Startum ab­holden Land ein zurückhaltend respektvolles Porträt geschaffen. Eine atmosphärische Ka­mera (Felix von Muralt) liefert die adäquate, sorgfältige Bildästhetik. In dem sehr persön­lichen Blick hinter die Kulissen kommt einzig das Musikerlebnis etwas zu kurz: Zwar werden viele Songs angespielt, doch erst beim Abspann wird das Feeling ihrer Live-Performance inte­gral bis in den Kinosaal hineingetragen. Wer mehr davon haben möchte, muss dies an einem ihrer nächsten Konzerte nachholen.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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