James Nachtwey, seit 1986 Mitglied der Agentur Magnum, zählt zu den bekanntesten Pressefotografen der Welt. Während Jahrzehnten hat er alle grossen Konflikte aus nächster Nähe als Beobachter mitverfolgt und dokumentiert. Christian Frei stellt dem Porträt des 1948 geborenen Amerikaners einen Satz des legendären Kriegsfotografen Robert Capa voran: «If your pictures aren’t good enough, you’re not close enough.» Mit War Photographer versucht Frei dieser Maxime seinerseits gerecht zu werden. Selbst bei gefährlichen Einsätzen bleibt die Videokamera dem Protagonisten auf den Fersen. Frei hat Nachtwcys Fotoapparat sogar mit einer eigens entwickelten Minicam ausgestattet. Das Publikum gewinnt so den Eindruck, unmittelbar am Geschehen beteiligt zu sein: Es sieht gewissermassen mit Nachtweys Augen, folgt den suchenden Bewegungen seiner Kamera, hört das Auslösen des Verschlusses und kann später das formatlüllend eingeblendete, fertige Bild mit der vorausgegangenen Situation abgleichen. Die Nähe, die Nachtwey zu seinen Sujets sucht, wird für War Photographer selbst jedoch zunehmend zu einem Problem. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Frei die Gleichung von Unmittelbarkeit und fotografischer Qualität, die das Capa-Motto aufmacht, unbefragt stehen lässt.
Gewiss sind Nachtweys Fotos herausragende Bilder, aber nicht allein deswegen, weil er nah am Geschehen war - der Film zeigt immer wieder, dass auch andere Fotografen den dafür nötigen Mut aufbringen. Nachtweys Leistung besteht darin, dass er für die Themen Krieg, Gewalt und Tod eine - ästhetisch - überzeugende Bildsprache gefunden hat: Er arbeitet vorwiegend in Schwarzweiss, mit Kleinbildkameras, kurzen Brennweiten, und verbindet emotional aufgeladene Inhalte mit einem grafisch klar strukturierten Bildaufbau. Nachtwey perfektioniert mit anderen Worten Mittel und Stil der klassischen Reportage, für die Capa und die Agentur Magnum stehen.
Genau diese Art von Bildjournalismus steckt allerdings seit einigen Jahren in einer tiefen Krise. Die Gründe dafür liegen nicht allein, wie Frei suggeriert, bei den grossen Magazinen, die mit Rücksicht auf das Anzeigengeschäft immer zurückhaltender werden gegenüber ungeschönten, dokumentarischen Bildern. Genauso sehr hat das Publikum das bedingungslose Vertrauen in die Authentizität des Mediums Fotografie verloren. Fotografen wie Donovan Wylie, 1997 als jüngstes Mitglied in die Agentur Magnum aufgenommen, sind in der Folge dazu übergegangen, Dokumentarfilme zu machen.
Statt die Brüche offen zu legen, mythisiert Frei jedoch konsequent seine zweifellos charismatische Hauptfigur: Er folgt ihr zu Beginn des Films lange stumm bei der gefährlichen Arbeit, lässt Nachtwey erst spät selbst vor der Kamera sprechen, umgibt ihn mit Interviewpartnern, die voll Bewunderung sind, und verzichtet selbst auf jede Art von Off-Kommentar. Dabei würden die Äusserungen Nachtweys und des Stern-Redakteurs Hans-Hermann Klare Ansätze für eine ganze Reihe von Nachfragen bieten. Der notwendigen Differenzierung am hartnäckigsten arbeitet jedoch die Musik (Arvo Pärt, Eleni Karaindrou) entgegen. Sie versetzt das Publikum an Stellen in ehrfürchtiges Schaudern, wo man in Ruhe nachdenken möchte.