«Meier» ist ein Deutschschweizer Name par excellence. So viele tragen ihn hier zu Lande, dass grosse Organisationen mitunter zu Nummern greifen, um ihre Meiers zu unterscheiden. Meier 19, ein Detektivwachtmeister der Stadtpolizei Zürich, wurde zum «Idol für Sauberkeit, Gerechtigkeit und Idealismus» - und zum Sozialfall. Er verlor Anstellung und Familie, landete im Gefängnis und wurde, weil man seine Zurechnungsfähigkeit in Frage stellte, verfemt.
Erich Schmid porträtiert ihn in Meier 19 als einen Beamten mit klarem Verstand und ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, der an seinen Vorgesetzten und an der Integrität der Stadtpolizei zu zweifeln beginnt. Meier erlebt - insbesondere nach einem Zahltagsraub in der Hauptwache - einen streng hierarchischen Korpsgeist, in dem sich die Oberen gegenseitig decken. Als ein Verkehrssündenrapport eines Limousinenfahrers verschwindet, wendet er sich an die Presse. Er wird entlassen und angeklagt. Meier 19 hat nichts mehr zu verlieren und macht seinen Verdacht gegen den Chef der Kriminalpolizei, Dr. Walter Hubatka, publik.
Meier 19 ist über das Porträt eines bemerkenswerten Menschen hinaus ein Zeitbild einer «erstarrten Gesellschaft», von der Natur sinnfällig durch den zugefrorenen See, die «Seegfrörni», bebildert - eine Zeit, in der übermütige Fans an einem Rolling-Stones-Konzert und Männer mit langen Haaren als Staatsbedrohung wahrgenommen wurden und Miniröcke zu Skandalen führten. In diesem Umfeld wurde der aufrechte Polizeibeamte vor allem bei der Jugendbewegung zum Symbol praktizierter Zivilcourage.
Gesellschaftliche Dimension und Biografie bringt Schmid überzeugend in Beziehung. Von Haus aus Journalist, hat er filmisch an Profil gewonnen und zeigt eine an der Spielfilmdramaturgie orientierte flüssige Handschrift (Kamera: Pio Corradi). Ausgehend von einer fiktiven TV-Talk-Sendung entfaltet er die Lebensgeschichte Meiers. Inszenierte Schwarzweiss-Sequenzen sorgen eine Spur zu vordergründig für kriminalistische Spannung. Nach dem ersten Drittel kommt ein gesellschaftlicher Erzählstrang mit teilweise unveröffentlichtem dokumentarischem Material über die Unruhen von 1968 hinzu. Schmid lässt seine Protagonisten wiederholt an ehemaligen Schauplätzen reden und strapaziert im Dienst einer effektiven Informationsvermittlung zuweilen die Verdoppelung des Bildes durch die Sprache. Emotionen nicht scheuend, geht er bis an die Grenze des Erträglichen, wenn er etwa «Meier 19» vor dem Grab seines Vaters monologisieren lässt.
Insgesamt gelingt Schmid ein lebendiges, dramaturgisch sinnig und dicht orchestriertes Gesamtbild der Zeit in der Traditionslinie des anwaltschaftlichen Dokumentarfilms, die er auch schon in Er nannte sich Surava (1994) pflegte. Meier 19 ist zudem inhaltlich so brisant, dass - wie schon beim zu Grunde liegenden Buch des Tages-Anzeiger-Journalisten Paul Bösch - politische Nachwirkungen zu erwarten sind.