Plötzlich war er da, dieser Fleck. Warm und rot - Blut in der Unterhose. «Gelähmt von der Vorstellung, meiner Mutter sagen zu müssen, dass es passiert sei, habe ich beschlossen zu schweigen», sagt eine Stimme aus dem Off. Es ist die Stimme der Regisseurin Emmanuelle de Riedmatten. «Erst zwei Jahre später hab ichs erzählt», fährt sie fort, und eine Montagesequenz, die verschiedene Frauen in Nahaufnahme zeigt, katapultiert das Publikum sogleich in ein Universum von Gemeinsamkeiten - und Unterschieden.
Zweierlei ist den Protagonistinnen dieses fürs Fernsehen produzierten Dokumentarfilms gemein: Einmal gehören sie zum Bekanntenkreis der Regisseurin, den sie konsultiert, weil sie herausfinden will, ob sie tatsächlich von der Möglichkeit einer neuen Verhütungsmethode, die als Nebenwirkung die Menstruation unterdrückt, Gebrauch machen soll. Vor allem aber erinnern sich alle Befragten lebhaft an ihre Jugend und wie sie dazumal mit der Regel umgegangen sind. Was die Frauen unterscheidet, sind die Emotionen, die das Erinnern evoziert: Bei so mancher Porträtierten ist Beklemmung zu spüren, oftmals aber auch Glück, Verklärung. Und immer wieder ist da dieses Lachen, das von Herzen kommt, manchmal leicht beschämt oder auch sarkastisch, weil man in der Retrospektive das eigene Verhalten angesichts emotional stark geladener Ereignisse ja oft peinlich findet. Genauere Schilderungen will man an Aussenstehende dann doch lieber erst nach Durchlaufen des ganz persönlichen Bewertungssystems weitergeben.
Les visites de la lune gelingen einige sehr schöne Momente. Da ist etwa die feinfühlig eingefangene Ergriffenheit, die entsteht, weil eine Mutter und deren Tochter für diesen Film das erste Mal gemeinsam über die Menstruation sprechen. «Immer dieses Schweigen», meint die junge Frau - sie hatte sich als Teenager nichts mehr gewünscht als eine Erklärung dafür, warum sie «jeden Monat blutete und diese Dinger in die Hose stecken musste». Auch eine andere Befragte bemängelt die fehlende Aufklärung - jedoch in einem ganz anderen Sinn: Ihr beziehungsweise ihrer Initiation zur Frau zu Ehren veranstaltete die Mutter ein grosses Fest, alle gratulierten - bloss hatte die, die gefeiert wurde, keine Ahnung, weshalb ihr das alles geschah.
Dass die Intensität solcher Momente oftmals völlig abrupt abbricht, liegt am etwas undankbar ausgelegten Konzept: Ganz offensichtlich hätte die Off-Stimme - parallel mit den inszenierten Sequenzen, in denen die Regisseurin selbst auftritt - als roter Faden durch den Film führen sollen. Oftmals sind aber Kommentar und Bildaussage kongruent, die inszenierten im Gegensatz zu den dokumentarischen Sequenzen etwas bemühend. Ein harmonisches Miteinander will sich nicht einstellen. Und schliesslich rücken die Intermezzi mit De Riedmatten allzu stark ins Zentrum. So wird Les visites de la lune wohl nicht ganz freiwillig zu einem sehr persönlichen Tagebuch.