Juan José Lozano ist Kolumbianer und lebt in Genf. Der Auslandaufenthalt hat sein Verhältnis zu seinem Staat geändert: Obwohl es für ihn vor drei Jahren noch unvorstellbar war, fern von seiner Heimat zu leben, scheint ihm nun eine Rückkehr unmöglich. Um sich über seine Gefühle gegenüber Kolumbien klar zu werden, beschliesst er, nach Bogota zu reisen und sich anhand der Meinungen, Reaktionen und Empfindungen der daheim Gebliebenen ein Bild von der Lage zu verschaffen.
Seine Kamera isoliert sechs Gesprächspartner, die alle verschiedenen sozialen Schichten angehören: Die 15-jährige Johana, die auf der Strasse lebt, betäubt sich mit Alkohol und Leimgasen; Maria Adelaida, ebenfalls eine Heranwachsende, frequentiert die luxuriöse Schweizer Schule und will später politische Wissenschaften studieren. Hernando Corral hat das Heimweh gerade aus dem Hamburger Exil nach Hause getrieben, obwohl er sich als engagierter Journalist täglich in Lebensgefahr weiss. Oscar Andrade ist ein begabter Informatiker, der eine Karriere in Nordamerika aus Patriotismus ausschlägt; Ernesto Bautista ist Busfahrer, César Lopez Musiker. Alle vermitteln Lozano ihre persönlichen Eindrücke vom Zustand ihrer Nation. Doch wenn die Ansichten hinsichtlich der Zukunftsaussichten des Landes auch auseinandergehen, ist die globale Bilanz, die Lozano aus seinem Besuch zieht, genügend negativ, um ihn in seinem Beschluss, im Exil zu bleiben, zu bestärken.
Angesichts der relativen Ruhe, die in der Hauptstadt herrscht, sucht der Film die «Narben» des Kriegs auszumachen, den sich die Drogenbarone, die paramilitärischen Organisationen und die reguläre Armee in den Provinzen liefern und der die nationale Einheit zum Implodieren zu bringen droht: Zahllose Strassenkinder bevölkern die Bürgersteige; die Todesgefahr, der vor allem die Landbevölkerung ausgesetzt ist, hat die Slums von Bogota bis zu einem kritischen Punkt anschwellen lassen.
Die rohe Gewalt erscheint allerdings nur im Fernsehen, das täglich Bilder von langen Sargkolonnen, Feuergefechten und Beerdigungen überträgt. Lozano verzichtet darauf, dieser Berichterstattung seine eigene Ästhetik entgegenzusetzen. Im Mitschnitt der TV-Berichte äussert sich zugleich sein genereller Verzicht, eine subjektive Beziehung zu Kolumbien visuell zu formulieren. Der Film oszilliert zwischen den verschiedenen Zeugnissen - die Gesprächspartner begegnen sich nie untereinander - und verweist vor allem auf die ökonomische und kulturelle Distanz, die die Protagonisten trennt. Doch mit der Preisgabe eines persönlichen Standpunkts überschreitet der Film auch jene Genregrenze, die den Dokumentarfilm von der Reportage trennt. Entsprechend illustriert Le bal de la vie et de la mort zwar den statistischen Befund hinsichtlich der Todes- und Flüchtlingszahlen, der zu Beginn des Films via Insert zitiert wird; die Frage nach Lozanos persönlichem Bezug zu seiner Heimat bleibt hingegen unberührt.