Escape to Paradise ist ein so genanntes Real Acting Movie, ein Film also, dessen Fabel eng mit der Lebensgeschichte der Darstellerinnen und Darsteller verknüpft ist. Die beiden Protagonisten Fidan Firat und Düzgün Ayhan, die gemeinsam mit Regisseur Nino Jacusso, Produzent Ivo Kummer und Mona de la Rey auf der Grundlage eigener Erfahrungen das Drehbuch entwickelt haben, spielen ein kurdisches Ehepaar, das nach Haft und Folter mit seinen drei Kindern in die Schweiz flieht und dort um politisches Asyl bittet. Im vermeintlichen Paradies angekommen, muss Familienvater Karadag allerdings fürchten, dass die Behörden ihm seine schreckliche Geschichte nicht abnehmen. Von einem Landsmann lässt er sich dazu überreden, sich bei einem professionellen «Geschichtenverkäufer» (Walo Lüönd) für teures Geld eine neue Biografie mitsamt beglaubigten Dokumenten zu besorgen. Doch während der Befragung im Asylzentrum überkommen Sehmuz Karadag Gewissensbisse, und er erzählt seine wahre Geschichte. Die Aufrichtigkeit zahlt sich aus. Die Familie erhält das verdiente Asyl.
Escape to Paradise zeigt den Alltag einer Flüchtlingsfamilie in einer Schweizer Empfangsstelle für Asyl Suchende. Dazu gehören die ständige Angst vor dem Entscheid aus Bern, die traumatischen Erinnerungen an die zurückgelassene Heimat und Reibereien zwischen den einzelnen Volksgruppen genauso wie Momente von grosser Komik. Die Stärke des Films liegt gerade in der präzisen Beobachtung von scheinbar banalen Situationen: der Einkauf in der Migros, das Aufeinandertreffen der Kulturen am Kochherd, das beiläufige Geständnis von Karadags ältester Tochter, dass sie ihren traditionellen Schmuck, der versetzt werden soll, um den Geschichtenverkäufer zu bezahlen, ohnehin nie mochte. Obwohl auch in Escape to Paradise abgewiesene Asylbewerber mit aller Härte des Gesetzes ausgeschafft werden, verzichtet Jacusso weitgehend auf dramatische Momente: So bleibt etwa die Flucht der Familie Karadag ganz ausgespart. Die bewusst unspektakuläre Erzählweise macht Escape to Paradise zu einem umso eindringlicheren Film, der einen für die Figuren und ihr Schicksal einnimmt.