ANDREA REITER

KIMBERLY (BET­TINA DISLER)

SELECTION CINEMA

Kimberly hat ihre eigene Theorie, wie es zu ihrer Transsexualität gekommen ist: Die durch Östrogen und anderes verseuchten Fische aus den Flüssen Yorkshires, die ihre Eltern zur Zeit ihrer Zeugung gegessen hätten, seien der Grund ihres Andersseins, meint sie. Bebildert werden ihre einleitenden Worte durch die Grossauf­nahmen von Zierfischen, die träge durch das schmutzige Wasser eines Aquariums gleiten. Dass es sich hierbei auch um ein ironisches Augenzwinkern handelt, wie man in den ersten Sequenzen des Kurzporträts vermuten könnte, wird deutlich, wenn immer wieder Fische als Schnittbilder eingesetzt werden, und zwar nicht nur jene im Aquarium, sondern auch einer, der zum Verzehr zubereitct wird: Kimberly und ihr Partner Ben werden beim Einkauf und der Vorbereitung für ein gemeinsames Fischessen begleitet, das den Schluss des Films bildet.

Kimberly hat bis zu ihrer Entscheidung, sich als über Vierzigjähriger einer Operation zu unterziehen, viel durchgemacht. Auf dem Sofa sitzend, berichtet sie ausführlich über die Wendepunkte in ihrem Leben - vom ersten Gefühl als Teenager, dass etwas nicht stimmte, über die Jahre der Ungewissheit, die erste sexu­elle Erfahrung und Verführung durch die Frau des damaligen Chefs, eine Heirat, die langsam reifende Gewissheit, im falschen Körper zu stecken, die darauf folgenden Demütigungen und Diskriminierungen bis zum heutigen Glück mit Ben, den sie noch vor der Operation an ihrem Arbeitsplatz kennen lernte.

Kimberly ist ein gefilmtes Interview - Fotografien und die Rahmenhandlung des ge­meinsamen Kochens verdeutlichen das Happy End. Die Dokumentation von Bettina Disler, die bei Kimberly nicht nur für Drehbuch und Regie, sondern auch für die gesamte Technik zuständig zeichnet, liesse sich als filmische Bio­grafie in Stichworten umschreiben. Sehr per­sönlich und ergreifend wirkt der Film vor allem durch die Offenheit, mit der Kimberly über ihre Vergangenheit erzählt.

Andrea Reiter
geb. 1973, Studium der Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie.
(Stand: 2018)
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