Wie sähe ein «Stummfilm» heute aus? Felix Tissis Who's next? gibt die Antwort: grosse Gefühle, dramatische Wendungen, Klischees, absurde Komik, ein glückliches Ende und natürlich die Zwischentitel, welche die Geschichte in drei Kapitel gliedern. Erster Teil: Käse; zweiter Teil: Spaghetti; letzter Teil: Zigaretten - was für die Stationen der Reise steht, welche die Hauptfigur Max (Yves Progin) von den Schweizer Alpen über Rom nach Sibirien in ein neues Leben führt. Gesprochen wird nicht viel. Max ist sowieso dem Verstummen nah. Mit seiner Liebe Maria (Rossana Mortara), die nur Italienisch spricht, versteht er sich nonverbal. In Sibirien drücken sich die Menschen schreiend als postsowjetische Punks oder Wodka saufende Melancholiker aus. Umso wichtiger ist die Filmmusik, die Büne Huber von Patent Ochsner verantwortet und die den «Stummfilm» souverän zum Roadmovie macht.
Doch bis Max in Nowosibirsk landet, geschieht einiges. Max, den Tissi nach dem letzten Drehtag von Noah & der Cowboy vor vierzehn Jahren auf der Alp vergessen hat, melkt seine Kuh Mari, spielt Rockgitarre und hat sich, so scheints, eingerichtet. Wenn da nicht ein verrückter Amerikaner auf dem Mountainbike ein Edelweiss als Potenzpflanze suchte, Max ihm das gleichtun und dabei seine Kuh verlieren würde. Es folgt der Aufbruch in die Stadt, nach Rom, auf der Suche nach Maria, die reihenweise Männer in das Restaurant ihrer Eltern lockt, damit aus den Liebeshungrigen «Pasta Tokio», «Siena» oder «Toronto» gekocht werde, was Max natürlich nicht weiss. Und da kündigt im «Ristorante Mondo» die Tafel bereits «Spaghetti Svizzeri» an: Es wird brenzlig für den liebenswürdigen Max, doch da entflammt die Liebe auch in Maria, weshalb die zukünftigen Schwiegereltern darauf verzichten, Max den Gästen vorzusetzen. Es folgt die Hochzeit und der Honeymoon, den sie irrtümlich in Sibirien statt in Casablanca verbringen - ohne voneinander zu wissen, denn die Etiketten an den Frachtkisten der beiden blinden Passagiere wurden ausgetauscht. Max sucht also wieder Maria, findet sie schliesslich in der Taiga, wo sie sich mit dem Messer gegen russische Übergriffe wehrt und - o Schreck! - den nicht erkannten Max meuchelt. Doch zum Glück sticht sie nur in die Sugo-Konservenbüchse, die er seit Rom auf dem Herzen trägt. Alles bereit für das Happyend, die beiden eröffnen ein Restaurant, worauf Maria ihren alten Trick wieder aufnimmt ...
Das zuweilen schleppende Tempo vermindert die Absurdität der Geschichte. Mehr noch als die mässig komische Aktualisierung früher filmischer Erzählformen zeichnet Tissis «Stummfilm» eine Naivität aus, die selten so ungebrochen ins Kino kommt. Es ist der Wunsch, neu anzufangen, alle filmischen Erfahrungen beiseite zu schieben - einen Anfängerfilm zu machen! In der Tat soll der Film, bevor er seinen blassen Titel erhielt, als «Gymelerfilm» kursiert haben. Die Lust am Machen, die solche Projekte auszeichnet, drückt zumindest in Spuren durch und macht streckenweise durchaus Vergnügen.