Ganze sieben Mitglieder zählt die jüdische Gemeinde Delémont. Die erforderlichen zehn Männer, die es braucht, um einen Gottesdienst abzuhalten, sind seit Jahren auch mit kleinen Tricks nicht mehr zusammenzubringen. Aber die Synagoge steht noch - von der Zeit gezeichnet. Dort versammeln sich die Übriggebliebenen, die sich vereinzelt an den Bau des Gotteshauses erinnern können. Von diesem geschichtsträchtigen Ort aus taucht der Dokumentarist Franz Rickenbach in die Lebensläufe ein. Der Viehhandel als Erwerbsquelle hat viele Familien geprägt, denen weitum geachtete Händler entstammen. Einer ist Architekt geworden, ein anderer führte ein traditionsreiches Kleidergeschäft. Vor unseren Augen nehmen die Schicksale Konturen an und verdichten sich zu einem Spiegel des einst vielfältigen jüdischen Lebens in der Nordwestschweiz. Eine mehrmals auftauchende alte Fotografie des Viehmarktes von Delémont wird - nicht zuletzt dank hervorragender Tonarbeit - immer vertrauter und plastischer, bis man schliesslich den Mikrokosmos des Marktes zu hören und zu riechen glaubt.
Franz Rickenbach nimmt sich bei seiner Spurensuche Zeit, den Menschen zuzuhören, und begegnet ihnen mit liebevoller Zurückhaltung. Sein Kameramann Pio Corradi verweilt auf architektonischen Details der Synagoge, be gleitet die kleine Gemeinde in das Stadtarchiv, wo sie einen judenfeindlichen Beschluss der damaligen Stadtregicrung aus dem vorletzten Jahrhundert vorgelesen bekommen. Offenen Antisemitismus mussten nur wenige erleben - meist in der Schule -, aber viele haben Erfahrung mit indirekten und behördlichen Diskriminierungen. Erst nach hundert Jahren Überzeugungsarbeit erhielt beispielsweise die jüdische Gemeinde in Basel ihren eigenen Friedhof.
Nostalgie prägt den Film, dominiert ihn aber nicht. Mit Präsenz und Humor, auch mit Selbstironie wird da vom «petit train-train quotidien» («Alltagstrott»), von erfüllten und schwierigen Lebensabschnitten erzählt. Beeindruckend ist der Zusammenhalt dieser kleinen Gemeinde und die Wärme, die von ihr ausgeht. Immer wieder zeigt Rickenbach, wie die Männer in der Synagoge stumm zusammenstehen, ihre Plätze einnehmen oder einander Anekdoten aus den vielen gemeinsamen Stunden in diesem Raum erzählen.
Diese ergreifende Verbundenheit hat Franz Rickenbach wohl auch bewogen, seine Enquete nach anderthalb dichten, rhythmisch und akustisch sensiblen Stunden über Delémont hinaus auf die Verwandtschaftszweige nach Biel, Beifort, Basel und ins Elsass auszudehnen. Auch hier gelingen ihm eindrückliche Momente, etwa die Aufnahmen von Synagogen, die jetzt als Garage, Hühnerstall oder Lagerraum dienen. Doch die anregende Zeitreise verliert im letzten Teil an Dichte und innerer Geschlossenheit. In einem historischen Buch wäre dieser Abschnitt im Anhang zu finden, wo das Material versammelt wird, das zusätzlich nuanciert und belegt, aber keine grundsätzlich neuen Aspekte einbringt.