Wer in Zürich lebt, ist ihr bestimmt schon begegnet: der Sängerin Lupa mit den roten Haaren, den extravaganten Kleidern und den ausgefallenen Hüten. Ihre eigenwilligen Interpretationen italienischer Volkslieder trägt sie äusserst lebendig und theatralisch vor, und ist dabei selbstverständlich immer auffällig gekleidet. So beklagt sich denn auch Fortunat Frölich, der Komponist und Musiker, der seit Jahren La Lupa begleitet, dass die Leute zu sehr die Show, ihr Äusseres bemerkten und sich zu wenig mit ihrer Musik auseinandersetzten.
Der Film folgt verschiedenen Kapiteln wie Biografie, künstlerisches Schaffen oder Altern und lässt neben der Lupa auch viele Freundinnen und Mitarbeiterinnen zu Wort kommen. Von Anfang an gehörte das Singen zu ihrem Leben: Sie wuchs in einer Tessiner Familie auf, in der von morgens bis abends gesungen wurde. Obwohl sie als Zwanzigjährige nach Zürich auswanderte, ist sie immer noch in ihrem Heimatkanton verwurzelt. Im Film sieht man sie mit Tessiner Freunden essen und singen, mit einem Freund in einer Schachtel nach Papierpuppen wühlen, mit denen sie und ihre Schwester früher zusammen spielten. Wenn sie der Puppe die farbigen Papicrkleider anzieht, erscheint die Parallele deutlich: Die Freude am Gestalten der eigenen «Figur», an Farben, an Verkleidung ist geblieben.
Nicht nur hier lässt der Film aber eine wichtige Frage offen, die Aufschluss über das Leben der Lupa hätte geben können: Nachdem man erfahren hat, dass sie als junge Frau im kaufmännischen Bereich arbeitete, sieht man sie Jahre später als gestandene Sängerin. Wie der Weg aussieht, den sie dazwischen gegangen ist, erfährt man leider nicht: Die Lupa wollte nicht darüber reden, und Lucienne Lanaz respektierte dies. Dass die Regisseurin der Protagonistin ihren eigenen Raum belässt, merkt man auch daran, dass sie keinen Kommentar unter die Bilder legt. Die Kamera begleitet die Lupa auf Proben und Konzerten, auf Reisen nach Venedig und Florenz und vermittelt dadurch einen Eindruck von ihrem abwechslungsreichen Leben. Und auch etwas von den Konflikten, die im Laufe der Arbeit mit einer derart starken Persönlichkeit entstehen können: Es kommt immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen mit Fortunat Frölich und Fabian Müller, den zwei Musikern, die mit ihr zusammen arbeiten und auftreten.
La Lupa verdient es, Gegenstand eines langen Dokumentarfilms zu sein, und es macht Spass, sie durch den Film kennen zu lernen. Der eher konventionell gemachte Film vermag aber nicht ganz zu überzeugen: Es gelingt ihm nicht, den vielfältigen Facetten von La Lupas Charakter eine formale Dichte gegenüberzu- stellcn. Auf Grund der zweijährigen Drehzeit waren verschiedene Kameraleute beteiligt. Zwar sorgen die verschiedenen Kamerastile - für Statements und beschauliche Szenen ruhige Bilder, für Streitgespräche und Arbeitsprozesse eine unruhigere Hand kamera - für eine gewisse Spannung, doch wirken sie andererseits auch irritierend. Ausserdem hätte man sich gewünscht, etwas mehr darüber zu erfahren, was hinter der Showfassade steckt. Auch wenn La Lupa sagt, dass sich ihr Leben nicht in Beruf und Privatleben trennen lässt, ist der Film etwas zu sehr zu einer Inszenierung ihrer Show geworden - was ihrer ansteckenden Lebenslust allerdings nichts anhaben kann.