PATRICK STRAUMANN

DO IT (SABINE GISIGER, MARCEL ZWINGLI)

SELECTION CINEMA

Unter dem Eindruck eines Pressebildes, das die gewaltsame Auflösung einer amerikanischen Studentendemonstration gegen den Vietnam­krieg illustriert, bilden einige Mittelschüler aus Zürich-Altstetten eine politische Organisation, die der amerikanische Geheimdienst CIA spä­ter in seinen Akten unter dem Nom de guerre «Annebäbi» aufführen wird. Die Gruppierung nimmt zunächst an einer Zürcher Hausbeset­zung teil; angesichts der bourgeoisen Schwei­zer Szene zieht sie es kurz darauf jedoch vor, ihre Dienste im Ausland anzubieten. Auf einer Italienreise werden Kontakte geknüpft, die nach Nordirland und nach Spanien führen. In Barcelona nehmen sie vom Fall Puig Antich Kenntnis, einem Katalanen, der wegen Polizis­tenmordes zum Tod verurteilt worden ist. Antichs Schicksal wirkt elektrisierend, und die «suizos» beschliessen, es müsse etwas getan werden: Sie begehen diverse Attentate und pla­nen, den spanischen Handelsattaché in Zürich zu entführen.

Mangels Unterstützung seitens der kata­lanischen Genossen wird die Operation jedoch abgeblasen. 1975, nach einem amateurhaft durchgeführten Versuch, den Schah von Per­sien im Hinblick auf einen Anschlag zu ob­servieren, wird die Gruppe verhaftet und die Mitglieder zu mehreren Jahren Zuchthaus ver­urteilt.

Dass die von Do It kolportierten Ge­schehnisse und Wirren der «bleiernen Zeit» heute nur mehr schwer nachvollziehbar sind, ist indes weniger den Taten als der Erzählweisc der Zeitzeugen und Akteure zuzuschreiben, die über ihre früheren Waffengänge nun selber zu staunen scheinen. Die RAF- und Palästina­-Kontakte, aber auch die anschliessenden Jahre der politischen und gesellschaftlichen Abbüs­sung, werden von Urs Städeli, Raymond Birgin und vor allem von Daniele von Arb, der nach seiner Haftentlassung an Herzöffnungsmeditationen teilnahm und heute seine Existenz als medialer Zukunftsberater bestreitet, mit viel Sinn für Ironie geschildert.

Insofern erweist sich das «Casting» be­stimmt als Glücksfall, umso mehr, als die Regie aus ihrer Sympathie für die Protagonisten kei­nen Hehl macht und dem Publikum über diese offene Stellungnahme auch einen idealen Zu­gang zum Stoff ermöglicht. Einen zentralen Platz in der Architektur des Films nehmen neben den Zeitungsausschnitten und anderen Zeitdokumenten jedoch vor allem die privat gefilmten, nunmehr dreissigjährigen Super-8- Aufnahmcn ein, die deutlicher als alle verbal formulierten Erinnerungen Einblick in die be­wegten Zeiten gewähren. In ihrer illustrativen Punktion vermögen es die Bilder, die Diskre­panz zwischen der Zeit des Handelns und der Zeit der Reflexion auch visuell zu belegen. Ins­besondere Daniele von Arbs Körpersprache hat sich mit einer ähnlichen Radikalität ver­ändert wie seine Denkweise und der jeweilige Zeitgeist. Die Kongruenz dieser Mutationen zu zeigen, stellt nicht den uninteressantesten Aspekt des Films dar.

Patrick Straumann
geb. 1964, studierte Filmwissenschaft, arbeitet als freier Filmjournalist, lebt in Paris.
(Stand: 2018)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]