WOLFGANG BORTLIK

AUTOMANIE — CINÉMA SUISSE IMAGINAIRE

CH-FENSTER

Sommerregen.

Autobahnraststätte «Gruyère». Ein soignierter Herr zieht eine Pistole und erschiesst die am Nebentisch sitzende Familie in Ballonseide.

Drei Tage später läuft ein japanischer Bustourist Amok. Tora Tora Tora.

Beide können sich in Haft an nichts erinnern.

Polizeipsychologe Max Rüedlinger fährt im klapprigen R4 nach Gruyère. Es regnet und regnet. Durch das Dach tropft Wasser ins Autoinnere.

Max trinkt Kaffee in der Raststätte. Sein Auge fällt mit Wohlgefallen auf eine fesche Serviertochter.

Plötzlich Lärm vom Parkplatz. Ein Riesenlastwagen macht geparkte Autos platt.

Zurück in Bern. Max und Vorgesetzte. Medien.

Ein Professor V. aus Lönneberga hat sich gemeldet. Er kommt zu Max, legt eine alte Schweinsledermappe vor sich auf den Tisch. Behauptet, starke Strah­lung um Gruyère gemessen zu haben. Keine irdische Strahlung. Der Regen. Auch Max hält V. für einen Spinner.

Wieder in der Raststätte. Ein osteuropäisches Touristenpaar ist auf die Autobahn runtergesprungen. Nettes Gespräch mit der Serviertochter. Sie meint, dass die Autos krank machen. Für Max etwas zu grün-ökologisch.

V. schleicht auch herum.

Zurück in Bern, telefoniert Max mit ihm. Plötzlich Schrei und Gegurgel. V. ist spurlos verschwunden.

In der Raststätte begeht ein bekannter SVP-Autofahrer rituellen Selbst­mord. Vor einer Mädchenklasse eines exklusiven Pensionats.

Die Serviertochter macht Max eindeutig Avancen. Der ist begeistert. Durch den Regen sieht man die beiden zum Personalhaus gehen. Die Kellnerin hüpft wie ein Kind durch die Pfützen.

Während Max postkoital raucht, betrachtet ihn die Serviertochter mit un­verhohlenem Abscheu. Im Bad entdeckt Max seltsame Gerätschaften. Nicht von dieser Welt. Als Max sie untersucht, wird er von der Kellnerin von hinten angefallen. Gerangel. In letzter Not richtet Max per Zufall den Föhn auf sie. In der heissen Luft zerfällt die Frau zu einer grünen Masse, deren Leuchten rapide abnimmt.

Max entdeckt V.s Schweinsledermappe. Das Telefon funktioniert nicht. Max läuft zur Raststätte, wo er sein Auto geparkt hat. Nachdem er abgefahren ist, erleuchtet eine Explosion den Himmel hinter ihm.

Es regnet stärker. Im R4 sammelt sich Wasser unter Max’ Füssen. Plötzlich fängt an seiner Schuhsohle ein kleines Klümpchen grün zu blinken an, als es mit dem Wasser in Berührung kommt. Es wird grösser, leuchtet.

Der Regen wird noch stärker. Hat Max nur wegen der schlechten Sicht einen so starren Blick? Er tritt aufs Gas. Durch den Regen sieht man ein Schild: «Bern, 7 Kilometer». Der R4 fährt durch den Regen. Aus seinem Inneren sieht man es hell und grün leuchten.

Wolfgang Bortlik
geb. 1952 in München, lebt in Basel. Hausmann, Schrift­steller, Übersetzer und Ersatzschlagzeuger. 1998 erschien sein erster Roman Wurst & Spiele, dieses Jahr kam Halbe Hosen heraus.
(Stand: 2018)
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