MERET ERNST

NACHBARSCHAFTEN — VIDEOKUNST UND FILM IN DEN NEUNZIGERJAHREN

ESSAY

«I’m not the girl who misses much», singt 1986 Pipilotti Rist mit Nachdruck in die Kamera - begleitet und bedroht von zuckenden Bildfehlern, Unschärfen und Klangstörungen. Nichts verpassen und sich nichts verbieten lassen: Das gilt für viele Schweizer Künstlerinnen und Künstler, die seit zehn, fünfzehn Jahren die Nachbarschaften von Film, Kunst, Video und Musik untersuchen. Natürlich stellt sich die Frage, ob das dabei entstehende heterogene Material überhaupt zu einer noch zu schreibenden Geschichte des jüngeren Schweizer Films gehört oder nicht. Versteht man eine solche Geschichte als Historiografie des Gebrauchs und der Wirkung von audiovisuellen Texten, definiert vor jeder nationalen oder historischen Zuordnung ein drittes Kriterium dieses Material: der Ort seiner Sichtbarkeit und, davon abhängig, sein Platz im System der Künste.

In den letzten Jahren haben das Kino und das filmische Bild in der inter­nationalen zeitgenössischen Kunst an Bedeutung gewonnen.1 Als Referenz, aber auch als direktes Zitat. Found Footage verschiedenster Herkunft findet Eingang in Kunstwerke, auch die Situation im Zuschauerraum wird künstle­risch bearbeitet.2 Appropriation, Remake, Dekonstruktion, Reflexion über das filmische Bild und das Kino als soziale Praxis - die Absichten, mit denen sich Künstlerinnen und Künstler dem Filmischen nähern, sind vielfältig. Die dabei entstehenden hybriden Formen zwischen Videofilm und Installation werden mehrheitlich in Sammlungen und Ausstellungen von Galerien und Museen präsentiert und gesehen. Dieses Feld weist eine eigene Topografie auf und stellt besondere Rezeptionsanforderungen, die im Vergleich zum Kino, zu Film- und Videofestivals sowie zum privaten VHS-Recorder wesentlich durch die Arbeit an der räumlichen Inszenierung des bewegten Bilds bestimmt werden. In die­sem Zusammenhang interessiert deshalb weniger die Frage nach der generellen Kunsthaltigkeit des Mediums Film. Darauf gibt der Avantgarde- und Experi­mentalfilm seit den Zwanzigerjahren wichtige, wenn auch von der Kunstkritik und der universitären Kunstgeschichtsschreibung selten zur Kenntnis genom­mene Antworten. Das Verhältnis zwischen Film und Kunst, wie es in Werken der zeitgenössischen Kunst heute wieder neu bestimmt wird, kann in einer vor­läufigen Bestimmung als Verdrängung mit ungleichen Vorzeichen beschrieben werden: Die bildende Kunst annektiert das filmische Bild, nimmt es in ihr eige­nes, räumlich definiertes Darstellungssystem auf, während der Experimental­film den Umgang der Kunst mit dem filmischen Bild entweder nicht wahr­nimmt oder ablehnt. Wie stark filmische Codes die aktuelle Videokunst und Videoinstallationen bestimmen, soll im Weiteren nachgezeichnet werden.

Kriterium des Nationalen? Hermeneutik? Cross over?

Prüft man die Zugehörigkeit der aktuellen Videokunst zu einer Geschichte des zeitgenössischen Schweizer Films, drängt sich nicht nur die Frage nach einer prinzipiellen Vergleichbarkeit von Filmen und Videoinstallationen auf, sondern auch nach dem beiderseitigen Nutzen eines solchen integrativen Ansatzes. Als Erstes jedoch muss der Begriff des Nationalen und der Gegenbegriff des Inter­nationalen geklärt werden. Gibt es überhaupt berechtigte Gründe, die Video­kunst in einen Interpretationshorizont zu stellen, der das spezifisch Schweize­rische dieser Werke betonen will?

Kunstrezeption und -produktion richtet sich nicht nach Nationalstaatlich­keit. Der Kunstmarkt ist, wenn auch nicht wirklich global, so doch internatio­nal ausgerichtet. Ist ein Kunstwerk einmal in den Kreislauf der Sichtbarkeit gebracht - von der lokalen Galerie zu Kunsthalle, Museum, Privatsammlung, schliesslich zur internationalen Biennale und Grossausstellung -, gleicht sich die Rezeption und die kritische Bewertung des Werks einem mittleren Standard an. Weit wirkungsmächtiger als eine nationalstaatliche Zuordnung ist in diesem Zusammenhang die seit einigen Jahren kritisierte, ausschliesslich an den Para­digmen der westlichen Moderne geschulte Rezeption. Kulturtheoretische Be­mühungen, diese Wahrnehmung aufzubrechen, scheitern regelmässig oder glei­ten, praktisch umgesetzt, ins gut Gewollte ab. Wird die professionelle Kritik und das Publikum im White Cube klassisch moderner Kunstvermittlung mit dem scheinbar referenzlosen Fremden konfrontiert, sind meist drei Reaktions­muster zu erkennen: Ablehnung, weil das Gezeigte nicht dem Kunstideal west­lich-moderner Herkunft entspricht. Kritik, weil es sich zu sehr an dieses Kunst­ideal anlehnt und dabei jede «Authentizität der Herkunft» verloren hat. Oder, als Kritik an der Präsentation, die Entlarvung einer vereinnahmenden, gar neo­kolonialistischen Haltung der bemühten Kuratorinnen und Kuratoren - oft nicht ganz zu Unrecht.

Dennoch hängt die nationale Herkunft den Künstlerinnen und Künstlern wie ein Markenzeichen an: Dieter Roth, Pipilotti Rist, David Fischli und Peter Weiss sind bekannt als Schweizer Künstlerinnen und Künstler. Das schadet ihnen nicht, im Gegensatz zum Schweizer Film, bei dem das nationale Etikett zumindest kommerziell nicht sehr Gewinn versprechend ist. Dabei stellt der Begriff Schweizer Kunst - vielleicht mehr noch als der Begriff Schweizer Film - eine höchst unklare Zuordnung her. Ohne zusätzliche Erläuterung bleibt fraglich, ob sich das Adjektiv auf die Staatszugehörigkeit, auf einen Produk­tions- oder auf einen Rezeptionszusammenhang bezieht. Und natürlich bleibt offen, ob das Kriterium des Nationalen produktions- und rezeptionsästhetisch das Werk bestimmt oder, umgekehrt, ob das Werk zur Definition des Nationa­len beiträgt: Schweizer Kunst oder Schweizer Kunst? Ohne Zweifel gibt es auch unter der Videokunst Werke, die mit Gewinn unter dem Aspekt «audiovisuel­ler Konstruktion nationaler Identität» diskutiert werden können. Sie legen es nahe, thematisch, ikonografisch und metaphorisch Ausdruck für eine imaginierte Schweiz zu sein. Die Anlässe und die Ausdrucksformen sind vielfältig: zum Beispiel konkrete Ereignisse wie der Brand in einem Chemikalienlager der Sandoz in Schweizerhalle am 1. November 1986, der schweizweit Empörung undWut auslöste. Pipilotti Rist blendet in ihrem frühen Super-8-Film Das Gute (1986) die Bedrohung der Stadt Basel und das Gefühl des persönlichen Ausge­liefertseins übereinander. Auf der ikonografischen Ebene ist es etwa die typisch schweizerische nassgrüne Berglandschaft in Muda Matthis’ und Pipilotti Rists Die Tempodrosslerin saust (1989) - der geografisch ausgezeichnete Lebensraum Schweiz, der den Rahmen einer ausgelassenen Freundschaft zwischen den Sän­gerinnen der Band Les Reines Prochaines gibt. Oder, auf einer metaphorischen Ebene, ist es das Paradox der enorm schweizerisch wirkenden Japaner, die im Videofilm Un ga nai bad luck (1999) von Christoph Draeger, Martin Frei und Thomas Thümena allgemeine Wehrübungen gegen Erdbeben veranstalten: Im Blick auf das Fremde wird eine Schweizer Mentalität reflektiert, ohne das Eigene explizit zu benennen. Oder, ebenfalls metaphorisch gelesen, gibt die iro­nische Präzision, mit der Fischli/Weiss in Der Lauf der Dinge (1987) die Welt im Kleinen ins Rollen bringen, der typisch schweizerischen Obsession des Mechanischen treffenden Ausdruck. «Die Schweiz» findet Eingang in die Vi­deokunst, wird als ästhetische und inhaltliche Kategorie genutzt, im Sinn einer Bearbeitung und Verdichtung von Mentalitäten, Lebensräumen, konkreten politischen Ereignissen. Diese und viele andere Werke können zu all jenen audiovisuellen Texten gezählt werden, in denen sich nationale Gemeinschaften als «Imagined Communities»3 konstituieren. Allerdings wird die Videokunst, auch innerhalb der bildenden Kunst, nur von einem minoritären Kreis zu einer identifikatorischen Praxis genutzt, die zudem kulturell und weniger national begründet ist.

Doch mit welcher Methode soll dieses Material geordnet, gesichtet und interpretiert werden? Die Kunstwissenschaft hat noch kaum adäquate und griffige Analysemethoden für das bewegte Bild in der Kunst entwickelt.4 Ob­wohl sie, worauf Ingo Fliess hinweist, als Bildwissenschaft hermeneutische Methoden bereitstellt, welche die Filmanalyse ergänzen könnten.5 Die klassi­sche Filmanalyse ist durch ihre Entwicklung am Paradigma des Hollywood- films stark handlungszentriert ausgerichtet. Dagegen beschränkt sich die Bild­analyse seit jeher auf eine «differenzierte Analyse des Gesehenen». Was bedeu­ten die Bilder aus sich selbst heraus?, ist die Frage, die eine kunstgeschichtliche Hermeneutik zu beantworten versucht. Eine disziplinierte und ernüchternde Arbeit, wie Oskar Bätschmann betont6, basiert doch ein bildhermeneutischer Ansatz auf der präzisen Analyse von Licht und Schatten, Linie und Figur, Farbbeziehungen und Komposition, Ausdruck und Repräsentierung. Eine Analyse des bewegten Bildes muss zusätzlich die bedeutungsgenerierende Montage und den sich verändernden Bildraum (in der zeitlichen Ausdehnung) berücksichti­gen. Was die Videoinstallation betrifft, muss ein solcher Ansatz mit Parametern wie plastische Qualität, Inszenierung im Raum und Veränderung der Raum­wirkung durch die zum Teil raumgrossen Videoprojektionen auch das Verhält­nis des Werks zum Realraum beschreiben.

Fragt die hermeneutische Methode danach, was die Bilder aus sich selbst heraus bedeuten, so bringt der Begriff Cross over, wiewohl in mancher Hin­sicht bereits veraltet und reichlich vage, eine medienorientierte Sichtweise ins Spiel. Seine grösste Wirksamkeit erreicht er in der Unterhaltungsmusik. Mitt­lerweile erklären Cross-over-Künstler aller Länder und Sparten die Hierarchien zwischen Medien, Gattungen und Stilen für tot. In den Sechzigerjahren bedeu­teten solche Grenzüberschreitungen noch eine radikale Absage an die Katego­rien High und Low Culture, obwohl paradoxerweise diese Antihaltung selbst dauernd von der Aneignung durch die Hochkunst bedroht ist. In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre erhält der Begriff durch die Verschmelzung von Me­dien zu Hypermedien neue Aktualität. Für zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler mit Doppel- und Mehrfachbegabungen ist es völlig normal, zwischen Ausdrucksformen und Medien zu wechseln. Als erfolgreiches Rezept wird Cross over bald darauf auch von Produzentinnen und Kulturvermittlern gehypt; Partys in Kunsthallen, DJ-Nights mit Lesungen, Kombinationen von Boutiquen mit Kaffeebar, Buchladen oder Kunstgalerie. Im modischen Gewand der Lifestyle- und Eventkultur wird realisiert, was in den Achtzigerjahren im wissenschaftlichen Diskurs unter Inter- und Transdisziplinarität verhandelt und in der ökonomischen Theorie als Synergieeffekte geliebt wird. Methodisch gesehen, stellt Cross over eindringlich die Frage nach dem nicht nur kommer­ziellen, sondern auch ästhetischen Mehrwert, der aus solchen Kombinationen entsteht. Dieser Mehrwert wird in einem dauernden Prozess ausgehandelt, und zwar lange bevor das Phänomen einer Nachbarschaft der Künste modisch als Cross over bezeichnet worden ist.

Nachbarschaften im Rückblick

Seit den Zehnerjahren wird in allen Filmnationen der Status des Films in der Hierarchie der Künste diskutiert, dessen Kunstwert je nach Position behauptet, eingefordert, grundsätzlich in Frage oder hoffnungsfroh in Aussicht gestellt. Dahinter verbirgt sich in den ersten Jahrzehnten, liest man genau, oft pädagogi­scher Verbesserungseifer und zugleich kommerzielles Interesse - als ob mit der Zauberformel «Film ist Kunst!» das frühe Erzählkino jede Zensurdrohung von vornherein hätte abwenden können.7 Das Verhältnis zwischen Kunst und Film löst seither hartnäckige, in vielen seiner Resultaten müssige Wertediskussionen aus. Überflüssig dann, wenn das Verhältnis zwischen Film und Kunst essenzialistisch aufgefasst wird: Ob Film Kunst sei und wie viel er davon gleichsam «enthalten» könne, ist nicht sinnvoll zu beantworten. Ertragreicher ist es, den Film als Medium mit eigenen ästhetischen Gesetzen zu begreifen.8 Dabei ent­steht ein begriffliches Instrumentarium für den ästhetisch-kritischen Umgang mit bewegten Bildern. Ganz dem Gesamtkunstwerk-Gedanken des 19. Jahr­hunderts verpflichtet, sieht als einer der Ersten der italienische Kunstkritiker und Romancier Ricciotto Canudo 1911 im Film ein hybrides Mastermedium: «Heute schliesst sich die «Kreisbewegung» der Ästhetik endlich siegreich in je­ner totalen Fusion der Künste, die sich «Kinematographie» nennt.» Canudo ver­steht den Film als das Medium für künstlerische Bearbeitung von Realität: «Der Filmkünstler muss die Realität nach den Bildern seines inneren Traumes trans­formieren. [...] Die Kunst ist nicht die Darstellung einiger realer Tatsachen, sie besteht im Hervorrufen von Gefühlen, welche die Tatsache entwickeln.»9

Dieses Ausdruckspotenzial wird von Canudo über die Repräsentation von Wirklichkeit gestellt. Im Avantgardefilm der Zwanzigerjahre wird es künstle­risch ausgetestet. Dieser wird kaum beworben, doch seine Rezeption findet im regulären Kino statt – schliesslich müssen auch die Experimente auf 35 mm ge­dreht und in entsprechend ausgerüsteten Sälen vorgeführt werden.10 Die Tren­nung in zwei Sphären, bildende Kunst hier, experimentelles Filmschaffen dort, ist nicht unüberbrückbar. Vor allem nicht im Selbstverständnis derjenigen Künstler, die sich wie Fernand Léger, George Grosz, Jean Cocteau oder Laszlo Moholy-Nagy in sehr unterschiedlicher Art und Weise mit dem Film auseinan­der setzen. Nach dieser Phase euphorischer Begegnung zwischen filmischer und künstlerischer Avantgarde drängt die Filmindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg den Experimentalfilm in die Rolle des minoritären Kunstprodukts. Vom Kunstbetrieb wird er aus Institutionen und Kritik ausgeschlossen, die auf statische Ausdrucksformen fixiert sind.11 Damit lässt der fehlende Ort, an dem die Filme gesehen werden können, den Experimentalfilm in der Lücke zwi­schen Kunstbetrieb und kommerziellem Erzählkino verschwinden. Trotzdem bleibt das bewegte Bild immer ein Sehnsuchtsbild der statischen Künste, eine Gegenfiguration zum unbewegten Bild.

Seit den Sechzigerjahren gewinnt das bewegte Bild für die Kunst eine neue Aktualität. Zumindest vier Gründe sind dafür anzuführen: Erstens führt, paral­lel zum Expanded Cinema, das die Grenzen der Filmleinwand sprengt und den Film von seinem Sprachcharakter befreit12, die Kritik am statischen Leinwand­bild zur Land Art, Concept Art und Fluxus-Bewegung. Zweitens müssen die flüchtigen Aktionen der Happenings, der Performance- und Aktionskunst dokumentiert werden - am besten filmisch. Mit der Pop Art gelangen drittens Themen der Konsum- und Massenkultur in die Kunst. Andy Warhol, König der amerikanischen Pop Art, beginnt nicht nur, Ikonen des Kinos in seinen Seri­grafien abzubilden, sondern auch Filme zu drehen - mit der ihm eigenen Radi­kalität, entleerte Inhalte zu präsentieren und dadurch das Medium zum Thema zu erheben. Und viertens erlaubt die erste tragbare Videoausrüstung, die Porta­pak von Sony, die 1965 auf den Markt kommt, eine einfachere Handhabung und befreit die Videotechnologie von der Abhängigkeit des Fernsehens.13 Ob­wohl Video zum bevorzugten Medium für bewegte Bilder im Kunstbereich wird, ist es in den Siebzigerjahren noch eine kleine Gruppe, die sich damit aus­einander setzt. Der mediale Emanzipationsprozess reicht weit in die Achtziger­jahre hinein. Rasant dagegen setzt sich Video im Verwertungszusammenhang von Rock- und Popmusik durch. Mit dem Musikclip werden die visuellen und kommerziellen Möglichkeiten des Videos Ende der Siebzigerjahre über MTV einem breiten Publikum bekannt. Zugleich differenzieren sich die Rezeptions­möglichkeiten der Videokunst aus: Einerseits sind Videofilme an Festivals des experimentellen Films zu sehen, anderseits findet die installativ aufbereitete Videokunst seit der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre immer mehr im Mu­seums- und Ausstellungsbetrieb ihren Ort. So zeigt die Documenta 8 von 1987 erstmals Filme und Videokunst in grösserem Umfang - darunter den auf 16 mm gedrehten, absoluten Publikumsliebling Der Lauf der Dinge von Fischli/Weiss. Seitdem die Videokunst sozusagen ihren Ort gefunden hat, wird sie auch in der Kunstgeschichte als eigenständige Gattung behandelt.

Die Geschichte der Schweizer Videokunst ist erst in Ansätzen geschrie­ben.14 Obwohl seit Beginn der Siebzigerjahre Videos mit einem expliziten Kunstanspruch produziert werden; in der Romandie von Gerald Minkoff und Muriel Olesen, Chérif und Silvie Defraoui, in der Deutschschweiz von Dieter Roth, Urs Lüthi, Dieter Meier. In den Achtzigerjahren driften das künstlerische Videoschaffen und das experimentelle Filmschaffen weiter auseinander. Die Gründe liegen wohl auch in der Ausbildung und in der Förderungspraxis, die beide nach Sparten gegliedert sind.15 Zudem festigen die separierten Rezep­tionsbedingungen in den Achtzigerjahren den Unterschied zwischen Video­kunst und Experimentalfilm: Der experimentelle Film findet seinen Ort in klassischen Off-Spaces wie Produktionswerkstätten und Festivals. Die Video­kunst dagegen wird schon bald in Galerien, Kunsthallen und Museen gezeigt. Der Zugang zu diesen Präsentations- und Rezeptionsforen ist stets ein limitierter. Die Galerien haben das Problem, mit dem Videoband ein zunächst wenig prestigeträchtiges Produkt anzubieten; in den Museen muss ein hartnäckiger Widerwille gegen den Ankauf und die Bedienung von Videorecorder oder Bea- mer überwunden werden. Der Zugang zu den Museen steht zuerst denjenigen Künstlern offen, die wie Fischli/Weiss auch als Konzept- und Installations­künstler bekannt sind. Als eine der ersten Schweizer Künstlerinnen, die sich ausschliesslich dem Video und seit 1983 der Videoinstallation verschreiben, be­hauptet sich Franziska Megert. Seit den frühen Achtzigerjahren ist auch Anna Winteler, die vom Tanz kommt, regelmässig mit ihren stark an Körperthemen interessierten Videos im internationalen Kunstkontext zu sehen.

In den späten Achtzigerjahren erlaubt die Digitalisierung die Bearbeitung der Bilddaten per Mausklick. Das Kunstvideo, das in den Sechzigerjahren durch seine oft dokumentarische Funktion und die statische Kamera als langweilig und anstrengend gegolten hat, findet eine neue Farbigkeit - die freie und immer billigere Bildbearbeitung macht es möglich. Pipilotti Rist gewinnt mit ihren kurzen, unverfroren am Medium interessierten Videos die Herzen des Vernis­sage- und Experimentalfilmpublikums. Der Bezug zum Musikvideo ist stark, auch durch die Frauenband Les Reines Prochaines, der Pipilotti Rist angehört. Die Tempodrosslerin saust von 1989 ist nicht zuletzt eine Art Clip, der ver­schiedene Stücke der Band visualisiert. Dazu tritt das Interesse an den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Mediums: Rist und Mathis generieren Aufnahme- und Wiedergabefehler, die Bilder sind mit Störstreifen durchzogen, verschneit, sie zittern und rütteln, die Farben sind schrill, zerhackt und über­schlagen sich. Wie Scherenschnitte geformte Testfarben wandern über den Schirm, zwischen die saftigen Realbilder einer betrunkenen Schweiz sind ab­strakte Sequenzen geschnitten. Das Band freilich ist nur die halbe Arbeit. Die Installation, die 1989 den Viper-Videopreis erhält, integriert die Bilder in einen grösseren Zusammenhang. Die kleinen Monitore hängen an einer Wand voller Handtäschchen, Insignien einer spielerisch inszenierten Weiblichkeit, vielleicht auch als Symbol für eine Gruppe von Frauen, deren Verbundenheit im Video gezeigt wird; wie ein Eisklotz liegt ein künstlicher Felsbrocken mitten im Raum, der allein durch die bewegten Bilder ins Rollen gebracht werden kann.

Space, Beaming

Zu solchen objekthaften, skulpturalen Videoinstallationen treten ab Mitte der Neunzigerjahre in der internationalen Kunstwelt vermehrt Arbeiten, welche über raumhohe und raumsprengende Projektionen die plastische Dimension des bewegten Bildes wesentlich erweitern. Der Videobeam wird für einen neuen Umgang mit dem Raum genutzt, der immer virtueller wird. Dazu tritt ein offen thematisiertes Interesse am Kino. Diana Thater legt ihre raumgrossen Projektionen über Ecken, Mauervorsprünge, Deckenkonstruktionen; Pierre Huyghe und Douglas Gordon dekonstruieren mit Found-Footage-Material aus Kino­klassikern das Medium Film und behandeln es als plastisches Material im Raum; Stan Douglas untersucht mit der Installation Der Sandmann (1994) über die Dekonstruktion räumlicher Einheit die Konstruktion filmischer Zeitlichkeit; Shirin Neshat, Eija-Liisa Ahtila, T.J. Wilcox und viele andere arbeiten an einem spezifisch installativen Umgang mit dem bewegten Bild. Auch Künstlerinnen und Künstler aus der Schweiz wenden sich in den Neunzigerjahren vermehrt einer räumlichen Inszenierung des Videos zu. Dabei wird gleichermassen der mediale Raum des Videos untersucht wie auch Aussagen über ein zeitgenössi­sches Raumverständnis formuliert, und zwar in Bezug auf konkrete wie auf vir­tuelle Räume.

So interessiert sich etwa der in Köln lebende Schweizer Felix Stephan Huber für den Umgang mit dem sozial genutzten Raum. Dazu gehört auch das Kino. Neben dem Cyberspace, der Fotografie und der Architektur als Aus­drucksmittel nimmt das Video als dokumentarisch genutztes Medium einen wichtigen Stellenwert ein. Die zweiteilige Videoinstallation V-World (1999) zeigt auf zwei grossen Projektionen ein Stück urbaner Wirklichkeit in Berlin: monotone Strassenzüge, banale Wohnblöcke, Kreuzungen, Ampeln, Leucht­schriften, Einkaufspassagen. Dazwischengeschnitten: Aufnahmen von Video­theken und ihrem Publikum, das sich über Filme unterhält - über den virtuellen Raum, der sich durch den zuweilen exzessiven Filmkonsum bildet und als sehr individueller Erinnerungsraum kommuniziert wird. V-World kombiniert eine urbane Landschaft mit der virtuellen Filmlandschaft der Videokonsumenten. Die Besucherinnen selbst, die in der Mitte zwischen zwei hohen Projektionen stehen, können den Gesprächen über Filme lauschen, interaktiv eingreifen und eigenen Assoziationen folgen, die sich sogleich mit dem Gesehenen und Gehör­ten neu verknüpfen.

Die Untersuchung immersiver, artifizieller Räume bildet dagegen eine Konstante in Pipilotti Rists Werk. Deutlich ausformuliert etwa in der Installa­tion Sip My Ocean (1996), die ein intensives dreidimensionales Eintauchen in eine Unterwasserwelt über zwei Screens und einen Spiegel gleichsam wörtlich ermöglicht, begleitet von Chris Isaaks melancholischem und zum Teil verfrem­detem Song Wicked Game. Vor dem Hintergrund der in den späten Neunzigern zunehmend populären Wahrnehmungserfahrungen an Technopartys, in Loun­ges und Chillout-Räumen reflektieren Videoinstallationen solche Wahrneh­mungsräume, indem sie sie inhaltlich füllen. So kommentiert und bricht Pipi­lotti Rist mit ihrer Arbeit Regenfrau (I Am Called A Plant) von 1999 die frontale Ansichtigkeit vieler Installationen. Auf eine riesige Küchenkombina­tion projiziert sie ein Video, in dem eine Kamera über ihren völlig regungs­losen, halb in einem Bächlein, halb im feuchten Gras liegenden Körper hinweg­streicht, bis sich die Künstlerin schliesslich erhebt und aus dem Bild schreitet.

Dieser Videofilm, der formal an den zwölfminütigen Pickelporno (1992) er­innert und mit der Wasserthematik an eine ganze Reihe ihrer Arbeiten anknüpft, gewinnt durch die Inszenierung, die das Werk in einen grösseren räumlichen Kontext integriert, an inhaltlicher Schärfung. Denn der Raum ist Teil der 1999 in der Zürcher Kunsthalle gezeigten Gesamtinstallation Remake of the Week­end à la zurichoise, welche die Struktur einer Mietwohnung beschreibt. Darin steht die Installation Regenfrau für die Küche, für den traditionellen Ort ein­dimensionaler Rollenzuschreibung, welche Rist in der Doppelkodierung als Künstlerin und in der Figur der Ophelia übersteigt.

Mit dem Videobeam wird eine direkte Begegnung zwischen den plastisch­räumlichen Ausdrucksformen der Installation und der Zeitlichkeit des beweg­ten Bildes untersucht. In den Neunzigerjahren hat, wie Friedemann Malsch be­tont, die Wahl des Mediums «[...] kaum noch eine experimentelle Dimension. Man kann deshalb sagen, dass die Geschichte des Verhältnisses von Video und Kunst mit dem Beginn dieses Jahrzehnts zu Ende geht, beziehungsweise sich auflöst in der viel weiter gehenden Diskussion um den multimedialen Raum.»16 Mit dem Begriff Multimedia wird die Frage nach den Gattungsgrenzen und nach dem Gewinn einer gegenseitigen Berührung allerdings nicht beantwortet, sondern lediglich auf ein neues Terrain verschoben. Über die Qualität des Ver­hältnisses von Film und Kunst, vom Paradigma des bewegten Bildes und dem Paradigma des räumlich-plastischen Ausdrucks, ist damit nichts ausgesagt. Gewinnversprechender scheint eine genauere Beschreibung der Mittel und Ab­sichten zu sein, mit denen die Künstlerinnen und Künstler das bewegte Bild räumlich inszenieren. Eine Sache des Einzelfalls, bevor die ganze Geschichte geschrieben werden kann.

Der neue Raum

Die zunehmend medienreflexive Beschäftigung mit dem Video, mit seinen räumlichen und filmischen Ausdrucksmöglichkeiten kombiniert Olaf Breuning mit einem ausgesprochenen Interesse an der Vermischung von bewegtem Bild und Film-Still. Seine Praxis kann beschrieben werden als ein hybrides Verfah­ren, hybrid im Sinne von Sowohl-als-auch. Er blendet die unterschiedlichen, gar gegenläufigen Ausdrucksformen ineinander, ohne deren jeweilige Traditio­nen spurlos in einem neuen Ganzen aufgehen zu lassen. In dieser Hinsicht kön­nen seine Installationen unter dem Aspekt einer Aufdoppelung unterschied­licher Wirkungsästhetiken gelesen werden. Für Woodworld, eine Installation, die er 1998 für das Kunsthaus Glarus geschaffen hat, verwendet er zum ersten Mal Video. Durch einen unheimlich beleuchteten, aus Baulatten gezimmerten Gang treten die Besucher unvermittelt in einen grösseren Raum: Der Boden ist weich, uneben, ein Waldboden; der Raum ist dunkel. Ein Videobeam wirft einen neun Minuten dauernden Film an die Wand. Film? Eigentlich ist es ein musi­kalisch unterlegtes, bewegtes Standbild, das einen Range Rover mitten im Wald, umgeben von allerlei Illusionsmaschinen wie Nebel-, Schnee-, Windmaschinen zeigt. Kugelblitze, Stroboskope und Seifenblasen sind die Akteure in diesem Film. Ab und zu flitzt ein an einem Seil befestigtes Licht durchs Bild. Im Range Rover sitzen dunkel gekleidete, weissgesichtige Kapuzenmenschen, mit Ta­schenlampen bewehrt. Unterlegt ist die unheimliche Szenerie mit einem Sound­track von Manuel Stagars, der die Theatralik des Filmsets mit einer subtilen Mischung von Foxy Brown, Tschaikowskys Nussknacker, Filmmusik und Geräuschen massgeblich steigert. Die skurrile Situation im Wald, der Eindruck des davonrollenden Wagens, der durch die vorwärts treibende Musik und die Stroboskopeffekte erhöht wird, sowie Kerne einer Narration, die immer wieder in ein seltsames Vakuum fällt, weisen die Arbeit als Reflexion über die Wir­kungsästhetik des Kinos, über Techno- und Konsumkultur, Kitsch und Kind­heit, Horror und Angstlust aus. Gleichzeitig wird das Setting in den Vorder­grund gerückt: Alle Bühnenzaubereien sind deutlich zu sehen und erstrecken sich in den Raum der Betrachter. Das grosse «Als ob», den gewaltigen, und dadurch absurd wirkenden Aufwand lässt Breuning ins Leere laufen: Der Büh­nenzauber unterstützt keine Handlung, sondern delegiert sie an diese Maschi­nerie der Effekte. Das Setting folgt einer Ästhetik der Überwältigung und macht diese überdeutlich. Die Betrachterin, der Betrachter ist der letzte Stein in diesem Puzzle: Das Staunen, das Mitwippen und Über-den-Waldboden-Stol- pern sind integrale Bestandteile der Installation. In diesem Sinn erfüllt er präzis, was Canudo bereits 19 n für das Medium Film forderte, dass nämlich «die Kunst nicht die Darstellung einiger realer Tatsachen ist, sie besteht im Hervor­rufen von Gefühlen, welche die Tatsache entwickeln.»

Nachgedanken

Das aktuelle Verhältnis zwischen Film und Kunst ist eines der ungleichen Wertigkeiten. Einerseits existiert aus der Sicht der Filmkritik die künstlerische Videoinstallation nicht. Denn so wie die Kunstgeschichte keinen adäquaten Umgang mit dem bewegten Bild in der Kunst etabliert hat, so kapituliert die Filmwissenschaft vor der Beschreibung der Beziehung zwischen der räumlich- installativen und der zeitlichen Dimension der Videokunst. Die Mittel der installativen Videokunst sind diejenigen der von jedem syntaktischen Zwang entlasteten Kunst. Darin unterscheiden sie sich wesentlich vom Experimental­film, der diesen Druck des Mediums selbst in seiner Negation noch thematisiert. Die räumliche Dimension - sowohl des realen wie des medialen Raums - gewinnt dagegen an Bedeutung und verlangt nach entsprechenden Interpreta­tionsmethoden. Anderseits ist aus der Perspektive der Kunst und der Kunst- kritik die Abgrenzung zum bewegten Bild durch dessen Einverleibung gleich­sam gegenstandslos geworden: Über das Medium Video hat Film Eingang in den Kanon gefunden, hat sich im Kunstkontext etabliert. Damit ist er frei für jedwede künstlerische Bearbeitung.

Entsprechend unfreundlich reagieren Vertreterinnen und Vertreter des Ex­perimentalfilms. Sie werfen den Künstlerinnen und Künstlern vor, auf eine Appropriation von Film, auf eine Verdoppelung filmischer Ausdrucksweisen im System der Kunst abzuzielen. Sie kritisieren die mangelnde Auseinander­setzung der Künstlerinnen und Künstler mit dem Erbe des Experimentalfilms, ihren fehlenden filmtheoretischen Background, das Unfilmische an diesen Wer­ken, das Missverstehen des Dispositivs Kino oder die zu einfachen Appropria­tionsgesten.17 Eine solche Kritik, wiewohl sie im einzelnen Fall zutreffen mag und sich in eine Qualitätsdiskussion verschieben müsste, verkürzt die Intentio­nen der installativen Videokunst auf die Auseinandersetzung mit «dem» Film oder einzelnen Filmklassikern. Argumente gegen solche oft verkürzenden Vor­würfe lassen sich freilich nur formulieren, wenn die installative Videokunst als eigenständige Gattung beschrieben wird. Und diese Arbeit steht noch aus.

Die Konturen dieser Gattung treten unterdessen schärfer hervor. Vorläufig und vorsichtig formuliert, geht es in vielen Werken darum, die Grundlagen der Signifikation des bewegten Bildes im Raum zu erforschen. Die Künstlerinnen und Künstler tun das aus einem Verständnis audiovisueller Gebrauchstexte heraus und verwischen dabei die Herkunft ihres Materials nicht - die Spuren von Musikvideos, Fotografie und Werbung, Performances, Oper, unterschied­lichen Fernsehformaten, Cyberspace, Konsumkultur und so weiter bleiben les­bar. Jener Fundus an medial vermittelten Bildern ist ebenso international, wie er sich multimedial zusammensetzt. Und selbstverständlich gehört das Kino dazu, das in den letzten hundert Jahren wie kein zweites Medium die visuelle Wahrnehmung geprägt und die Grundlagen der bildenden Kunst verändert hat.

Vgl. die Ausstellungen «Hall of Mirrors: Art and Film Since 1945», Museum of Con­temporary Art, Los Angeles 1996; «Spell­bound. Art and Film», Hayward Gallery, Lon­don 1996; «Cinema, cinéma. Contemporary Art and the Cinematic Experience», Stedeljik Van Abbe Museum, Eindhoven 1999.

Vgl. L/B (Sabina Lang, Daniel Baumann), Das Kino (1998), Installation in der Ausstel­lung «Freie Sicht aufs Mittelmeer», Kunsthaus Zürich, 1998.

Benedict Anderson, Imagined Commu­nities, London 1983.

«En somme, le conflit de la toile et de l’écran a pris en 1930 sa figure définitive: l’op­position entre un art pour l’élite cultivée et le grand spectacle hollywoodien.» Jean-François Chevrier, «Le conflit de la toile et de l’écran», in: Art Press 107 (1986), S. 20-23, S. 20.

Ingo Fliess, «Dialog zwischen Bildwis­senschaft und Filmanalyse?», in: Joachim Paech (Hg.), Film, Fernsehen, Video und die Künste. Strategien der Intermedialität, Stutt­gart/Weimar 1994, S. 19-27.

«Der Übergang von der Frage nach der Bedeutung zur Frage nach dem, was die Bilder als sie selbst hervorbringt, ist für das Subjekt ein Übergang vom Rausch zur Nüchternheit.» Oskar Bätschmann, Einführung in die kunst­geschichtliche Hermeneutik (Die Auslegung von Bildern), Darmstadt 1984, S. 154.

Die Behauptung, Film sei Kunst, verliert ihren legitimatorischen Wert, sobald sich das Kino im freien Markt durchgesetzt hat. Als Argument gegen die Übermacht des amerika­nischen Erzählkinos taucht der Kampfruf in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf - mit dem moralisch und ästhetisch für überlegen gehaltenen Autoren- und Studio­film. Im Gegenzug erhalten die europäischen Autorenfilme in den Staaten als «Art films» ein werbestrategisch zweischneidiges Genre­Etikett. Die Zuschreibung basiert auf einem auktorialen Verständnis der Regiearbeit, das seinerseits auf ein klassisches Künstlermodell zurückzuführen ist. Es tritt in Konkurrenz zum künstlerischen Anspruch des Experimen­talfilms und verhindert es, den Film als Ge­meinschaftswerk zu interpretieren, eingebettet in eine diskursive Praktik.

Auch diese Diskussion setzt in den Zeh­nerjahren ein mit Georg Lukäcs, Gedanken zu einer Ästhetik des Kinos (1913); Hugo Müns­terberg, The photoplay, a psychological study (1916); Urban Gad, Der Film, seine Mittel, seine Ziele (1920); Louis Delluc, Photogénie (1920); und erreicht in den Zwanzigerjahren mit Béla Baläzs, Der sichtbare Mensch (1924) und der sowjetischen Montagetheorie einen ersten Höhepunkt.

Zit. nach Peter Wuss, Kunstwerl des Films und Massencharakter des Mediums, Konspekte zur Geschichte der Theorie des Spielfilms, Ber­lin 1990, S. 37, 39.

So zeigt eine Matinee im April 1921 Walter Ruttmanns Opus I im Berliner Marmorhaus, einem bürgerlich opulent ausgestatteten Licht­spieltheater, das 1913 eröffnet wurde. Vgl. dazu Rudolf Kurtz, Expressionismus und Film (1926). Nachdruck Zürich 1965, S. 86-103.

Die zaghaften Begegnungen deutscher Kunsthistorikerinnen und -historiker mit dem Film beschränken sich auf Arbeiten von weni­gen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistori­kern. Darunter Adolf Behne, Hans Cürlis, Joseph Gantner, Rudolf Arnheim, Lotte Eis­ner, Wilhelm Pinder, Erwin Panofsky, Werner Schmalenbach. Vgl. dazu Thomas Meder, «Die Verdrängung des Films aus der deutschen Kunstwissenschaft 1925-1950», in: Paech (wie Anm. 5), S. 9-18.

Vgl. Hans Scheugel / Ernst Schmidt jr., Eine Subgeschichte des Films, Frankfurt am Main 1974.

Friedemann Malsch, «Video und Kunst - ein historischer Abriss», in: Künstler-Videos. Entwicklung und Bedeutung, hg. von Friede­mann Malsch / Dagmar Streckei / Ursula Perucchi-Petri, Ostfildern 1996, S. 17-42, S. 20 f.

Vgl. Brigitte Blöchlinger et al. (Hgg.), Cut - Film- und Videomacherinnen Schweiz von den Anfängen bis 1994- Eine Bestandesauf­nahme, Basel / Frankfurt am Main 1995.

Connie Betz / Alexandra Schneider, «Wege zum Film. Ausbildung, Arbeitsweise, Subventionspraxis», in: Blöchlinger (wie Anm. 14), s. 13-35, S. 13.

Malsch (wie Anm. 13), S. 40.

Alexander Horwath, «Wiederbelebcn Sterben. Über die Nicht-Aneignung von <Film> in der <Kunst> und einige Laufbilder von Douglas Gordon, Matthew Barney & Stan Douglas», in: Schnitt. Das Filmmagazin 18 (2000), S. 12-15.

Meret Ernst
geb. 1966, promovierte Kunsthistorikerin. Arbeitet als Ausstellungsmacherin und Publizistin mit Schwerpunkten zeitgenössische Kunst, Grafik und Design. Seit 1999 Mitglied der CINEMA-Redaktion. Taucht seit sechs Jahren.
(Stand: 2018)
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