«Schlagen» und «Abtun» sind zwei Fachbegriffe aus der Welt des Hornussens, eines urschweizerischen, bäuerlichen Wettkampfspiels. Ziel dabei ist es, einen Hartgummiball, den Hornuss, möglichst weit ins gegnerische Spielfeld zu schlagen. Die verteidigende Mannschaft muss das Flugobjekt möglichst früh abfangen oder eben «abtun». Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass Holzbretter, so genannte Schindeln, in die Flugbahn des Hornuss hochgeworfen werden. Das archaisch-ländliche Spiel gehört zum bodenständigen Schweizer Brauchtum und war lange Zeit Inbegriff einer konservativen Haltung und patriotischer Wehrhaftigkeit: «Sind sich die Abtuer einig, gelingt es ihnen ohne Mühe, alle Angriffe abzuwehren und das Vaterland sowohl vor dem Eindringen gefährlicher, fremder Ideen als auch vor allem Schlechten und Wertlosen zu schützen», heisst es noch 1968 im Verbandsorgan Hornusser-Zeitung. Der Dokumcntarfilmer Norbert Wicdmer hat während zweier Jahre vier Hornusser mit der Kamera begleitet und sie beim Training und Wettkampf, aber auch in ihrem familiären und beruflichen Alltag gefilmt. Wiedmer zeigt auf, wie sich das ehemals bodenständige Hornussen zum Spitzensport hin entwickelt hat. Es wird trainiert und taktiert, Materialdiskussionen verdrängen die gesellige Vereinsmeierei, und zwischen den Trainingseinheiten greifen die Hornusser zum Handy, um Geschäfte abzuwickeln. Den finanziellen Anforderungen ihres sportlichen Hobbys versuchen die «Schläger» und «Abtuer» mit Hilfe von Sponsoren beizukommen, wodurch der Verlust der ehemals für die Hornusser charakteristischen Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit evident wird: Die rot bemalten Schindeln sind nicht etwa der Farbe der Nationalflagge nachempfunden, sondern werben - mit leuchtend gelbem M verziert - für den neuen Hauptsponsor McDonald’s. «Wir halten das M in Ehren und machen Reklame, so gut es geht», geloben die Mannen der Hornussergesellschaft, als ihnen ihr neu bemaltes Sportgerät übergeben wird.
Schlagen und Abtun skizziert in 52 durch Schwarzblenden getrennte Sequenzen das Bild einer Gesellschaft im Umbruch. Wiedmer beobachtet die Hornusser genau, teils mit ironischer Distanz, aber stets respektvoll. Sein Interesse gilt dabei nicht in erster Linie dem urchigen Nationalsport, sondern vielmehr der Befindlichkeit des Schweizer Mittellandes zwischen Tradition und Moderne. Die Welt der vier Hornusser wird dabei zum eigentlichen Gradmesser des gesellschaftlichen Wandels: In den einzelnen Porträts zeigt sich die Zerrissenheit zwischen Althergebrachtem und Aufbruch, zwischen Selbstsicherheit und Verunsicherung. Dies wird in den stimmungsvollen Bildkompositionen deutlich. Immer wieder sehen wir die spielenden Hornusser vor dem Hintergrund von Industrieanlagen, Sendemasten und Tankstellen. Auch Felix Hochulis Musik thematisiert die Befindlichkeit einer verunsicherten Schweiz: Alphornklänge werden verzerrt und von Geräuschen und menschlichen Stimmen überlagert - es entsteht eine Klangcollage, in der sich Traditionelles mit Neuem mischt. Im Zusammenspiel von Bild und Ton ergibt sich so ein thematischer Rahmen, der die Porträtskizzen verbindet; die Szenenfragmente fügen sich zu einem rundum gelungenen Zeitbild schweizerischer Befindlichkeit am Jahrhundertende.