Mit ihren Berufschroniken will Jacqueline Veuve gleichzeitig zeigen und festhalten, ein Stück Geschichte und Gegenwart retten, eine Tradition vordem Verschwinden bewahren. In Chronique vigneronne dokumentiert sie die Arbeit einer Weinbauernfamilie aus der Region von Lavaux am Genfersee. Grossvater, Vater und Sohn samt Ehefrauen und Enkelinnen halten die Tradition aufrecht und finden darin den Sinn ihres aufwendigen Tuns. Eine gut funktionierende patriarchale Institution, diese Winzerfamilie.
Die Nähe von Arbeit und Familie, von Produktion und Reproduktion ist vielleicht das archaischste Moment dieses Berufsporträts. Eine Qualität, die zu zeigen Jacqueline Veuves Anliegen ist, ganz ohne Pathos. Im Gegenteil: Ihr filmischer Gestus bleibt sehr distanziert. Dazu gehört der konsequente Umgang mit dem Off-Ton, Kommentare gibt es keine. Die Protagonistlnnen erklären ihre Welt ganz ohne Gegenfrage - da fühlt man sich als Zuschauerin manchmal ein bisschen allein gelassen. Andererseits ermöglicht diese Art der Selbstdarstellung Einblick in eine fast in sich geschlossene Welt, die auf einem sehr patriotischen Selbst Verständnis beruht. Dazu gehört die Ökologie nicht unbedingt, aber der Männerchor und die Feuerwehr auf jeden Fall.
Unglaublich, was da alles an Arbeit anfällt, wo auf Modernisierung weitgehend verzichtet wird. Trotz des Motorenlärms, auf den der Grossvater schelmisch hinweist, sind die meisten Arbeitsabläufe beim Alten geblieben - die Jahreszeiten diktieren den Rhythmus, das Winzerjahr folgt dem Zyklus des Weinstocks. Diesen Ablauf hat die Regisseurin auch für ihren Film gewählt, dem die Protagonistlnnen und auch der Rhythmus des Films untergeordnet werden. So erfährt man zwar viel über Arbeitsabläufe, Feste und Traditionen, aber doch recht wenig über die Leute, die sie aufrechterhalten. Es entsteht keine emotionale Kohärenz. Der Verzicht auf eine assoziative Montage unterstützt diese inhaltliche Rigidität. Die sehr sachliche Kameraführung dient dem didaktischen Anliegen von Chronique vigneronne. Daneben gibt es durchaus auch stimmige Passagen, vor allem dort, wo traditionelle Arbeitsabläufe dargcstellt werden, etwa rund um die alte Weinpresse. Schön auch, wenn der Grossvater erzählt, wie er während der dreimonatigen Abwesenheit seiner Ehefrau die Glyzinie ins Schlafzimmer hineinwachsen liess, um sie damit zu überraschen.