In seinem Auftragsfilm über das Genfer Universitätsspital (HUG) beschäftigt sich Richard Dindo erstmals nicht mit einer Einzelperson oder einer Personengruppe, sondern mit einer Institution. Sechs Monate verbrachte der Filmemacher in den verschiedenen Abteilungen des Spitals, filmte und interviewte Kranke und Angehörige, Pfleger und Ärztinnen. Wir folgen der Kamera durch endlose Gänge von einer Abteilung in die andere, von der Notfallstation in die Kinderabteilung, vom Operationssaal in die Küche, wo die Teller in Fliessbandarbeit angerichtet werden. Dabei ist das dichte Porträt einer in sich geschlossenen Welt entstanden, in der viel gelitten, aber auch gegen das Leiden gekämpft wird.
Der Film geht dabei weit über die Beschreibung einer Institution hinaus: Indem er verschiedene Formen des Umgangs mit Krankheit und Sterben schildert, spürt Dindo dem Privaten in der Welt des Spitals nach. Im Lift spricht er eine Frau an, die Krebs hat und nun weitere Untersuchungen machen muss. Einige Monate später sucht er sie an ihrem Spitalbett aut. Sie scheint kränker, doch ihre gute Laune und ihr Mut sind unverändert. Ein alter Mann hingegen will sich nicht filmen lassen - er sei nicht schön anzusehen - und zieht das Leintuch über sich. Auch das Betreuungspersonal hat unterschiedliche Strategien im Umgang mit der Krankheit: Während die einen aut die Klagen mit beschwichtigenden Worten antworten, drückt eine Frau die Grenzen ihrer Hilfe aus: «Jedem sein Leid.»
Eindrücklich sind die Szenen am Krankenbett eines jungen Spaniers, der beim Kanufahren schwer verunfallt ist. Er liegt im Koma, seine Eltern sitzen an seinem Bett. Die Mutter meint voller Hoffnung, sie glaube, er werde davonkommen, er sei ein starker junger Mann. Zehn Tage später erzählt sie mit verweinten Augen, sie nehme ihn jetzt nach Spanien mit. Er liegt immer noch im Koma und wird wahrscheinlich nie mehr daraus erwachen. Auch solch heikle Szenen tilmt Dindo einfühlsam und mit der nötigen Distanz, sodass sie nie voyeuristisch wirken.
Ebenfalls konfrontiert wird man mit den Problemen des Spitalpersonals. Besonders intensiv ist die Szene, in der Ärzte mit dem Pflegepersonal besprechen, ob sie eine sterbende Patientin länger künstlich am Leben erhalten sollen oder nicht. Die Verantwortung, die aui ihnen lastet, wird förmlich greifbar.
Dindo lehnt sich bei seiner Beobachtung des Spitalalltags an die Methode des Direct Cinema an. Obwohl er selber (beinahe) nie im Bild erscheint, wird seine unaufdringliche Präsenz durch seine Fragen aus dem Off und die Reaktion der Gefilmten auf ihn spürbar. Der Film verzichtet auf einen Kommentar. Das Wort wird den Gefilmten überlassen, und auch wenn man die einzelnen Patientinnen und Patienten nicht näher kennen lernt, vergisst man sie nicht so schnell: Der algerische Junge, der auf eine Mine gesprungen ist und nun lernen muss, mit Prothesen zu gehen, das kahlköpfige Kind, das glücklich lächelnd die Bewegungen der Spitalclowns nachahmt, die depressive Frau, die verzweifelt Hilfe sucht - sie alle geben uns für einen kurzen Moment Einblick in verschiedene Leidenswege und mögliche Bewältigungsstrategien.