Regentropfen wandern der Frontschutzscheibe entlang, ein grosses L auf einem Autodach: Fünf Schüler-Lehrer-Paare sind unterwegs auf Schweizer Strassen. Alle steuern dasselbe Ziel an: das blaue Papier. Ihre Herkunft aus unterschiedlichen Kulturen ist eine weitere Gemeinsamkeit.
Eine Frau, die wiederholt durch die praktische Prüfung fällt, vertraut auf die Ratschläge ihres buddhistischen Fahrlehrers, die weit über die blosse Fahrtechnik hinausgehen. Ein einsamer afghanischer Flüchtling findet in seiner verständnisvollen Schweizer Lehrerin fast eine zweite Mutter. Ein Fahrlehrer witzelt derb auf Kosten seines Schülers indischer Herkunft, der schweizerischer als jeder Schweizer ist. Eine stille portugiesische Frau lernt fahren, weil sic es ihrem verstorbenen Sohn versprochen hat. Ein junger Fahrlehrer und Fussballer auf der Ersatzbank unterhält sich mit seinem brasilianischen Schüler und heimlichen Idol, einem Profifussballer, ausgedehnter über Spieltaktiken als über Verkehrsregeln.
Jean-Stéphane Bron sucht und findet in diesen Begegnungen über Kulturgrenzen hinweg eine mal witzige, mal tragische und immer spannende Comédie humaine. La bonne conduite entstand im Rahmen eines Wettbewerbs der SSR SRG idée suisse zum Thema multikulturelle Schweiz. Gerade weil Bron sich nicht um eine analytische Durchdringung des Themas bemüht, sondern sich auf die Beobachtung kleiner Stücke vergleichbarer Wirklichkeiten beschränkt, gelingt ihm ein ebenso vergnügliches wie aufschlussreiches Dokument über die menschliche Verständigung. Die Konzentration beim Fahren lässt den meisten Menschen keine Zeit und Energie zur Verstellung. So zeigt Bron anschaulich, wie stark Gesten und Blicke die Verständigung bestimmen. Unmittelbar verraten sic Stimmungsänderungen und die Einschätzung des anderen. Die Grenzen des interkulturellen Austauschs werden sichtbar, die kleinen Nuancen in Wort und Gestik, die sofort eine Mauer zum Gegenüber aufbauen können.
Formal ist der Film denkbar einfach. Die meiste Zeit sind die Fahrenden durch die Frontscheibe im Schuss-Gegenschuss-Verfahren zu sehen. Wie er das technisch gelöst hat, will Bron für sich behalten. Einige wenige Male erfasst die Kamera die Schülerinnen und Schüler im Strassenverkehrsamt oder zu Hause beim Anstossen auf die geglückte Prüfung. Durch die Nähe zu seinen Protagonisten und deren geschickte Auswahl erreicht Bron, dass man sich unmittelbar einbezogen fühlt und nicht nur bei Prüfungssituationen mitfiebert. So gelingt Bron wie schon bei seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm Connu de nos services eine berührende, oft ironisch aufgelockerte Beziehungschronik in überraschender Konstellation.