1963 überfiel eine Gruppe junger Mannereinen Schweizer Schützenverein in Uruguay. Diese bewaffnete Aktion war der Anlang der berühmtesten Stadtguerilla Lateinamerikas: die Tupamaros. In den frühen siebziger Jahren putschte das Militär und zerschlug die Guerilla. I'epe Mujicia überlebte eine dreizehnjährige Isolationshaft und hoher und ist heute Blumenzüchter und uruguayisches Parlamentsmitglied. Ihn, seine Freundin, deren Schwester und einen weiteren Freund, alle ehemalige Tupamaros, begleitet die Regisseurin Heidi Specogna in ihrer Dokumentation.
Sie folgt Mujicia auf seinem Mola durch eine sonnendurchflutete Ebene. Mit gerechter Entrüstung erzählt er, dass 1200 Familien halb Uruguay besässen. Sie seien die grösstcn Patrioten, weil ihnen am meisten Vaterland gehöre. Diese anschauliche und hintersinnige Logik ist typisch für die Tupamaros. Nach einem Bankraub konnten die Companeros dem Geschäftsführer anhand der erbeuteten Rechnungsbücher illegale Geschälte nachweisen. Der Skandal war perfekt: «Unsere Aktionen mussten sympathisch und intelligent sein, möglichst gewaltlos und für den einfachen Bauern verständlich«, meint Mujicia. Die Tupamaros sind jetzt in das System integriert: «Wir regieren heute Orte, die wir früher überlallen haben», erklärt ein ehemaliger Mitkämpfer. Mujicia wurde Abgeordneter auf Zeit. Er macht sich nichts vor: «Ich bin für viele eine An folkloristischer Blumenstrauss, ein Vorzeigemensch liir die Demokratie.»
Der Erzählfluss wird durch drei historische Einschübe mit vielen Schwarzweissfotos über die politische Situation in Uruguay durchbrochen und strukturiert. Die Kamera ist agil. Sie hegleitet die Menschen in ihrem Alltag in langen Plansequcnz.cn, folgt ihren abenteuerlich überladenen Mofas, begleitet sie auf den Markt, aufs Feld, ins Büro, beim Schlendern durch ein postmodernes Finkaulszentrum, das früher ein Gefängnis war. Mit unnostalgischer Leichtigkeit ist auf diesen Streifzügen Verblüffendes zu erfahren. Zwischen Parfümregalen lokalisieren die ehemaligen Insassen ihre Zellen und den mit eigenen Händen gegrabenen Fluchtgang, der für 110 Häftlinge Freiheit bedeutete.
Specogna lässt sich von der Lebenslust der bescheidenen Kämpfer inspirieren. Sie montiert den Film dicht und souverän, oft mit einem Augenzwinkern. Auf einer Dienstreise mokiert sich Mujicia über Krawatten: «Im Norden mag dieses Kleidungsteil was bringen, aber bei uns?» Die nächste Einstellung zeigt seinen Chauffeur im Anzug. Eine spannungsvolle Kadrage zeigt Mujicia seitlich angeschnitten vor dem Parlament. Im Untergrund sind Soldaten zu sehen, die für ihn, den ehemaligen Staatsfeind, paradieren: ein Paradox.