Nach mehreren Dokumentarfilmen für das Westschweizer Fernsehen liefert Mohammed Soudani mit Sud - les diseurs d'histoires eine Tour d'horizon durch die Filmgeschichten Afrikas. Er verwebt unzählige Statements von Filmschaffenden mit eigenen Impressionen aus Ägypten, Tunesien und dem frankophonen Schwarzafrika. Dazwischen zitiert er ausgiebig afrikanische Filmklassiker. Der Essav beginnt bilderlos, schwarz: Afrika sei ein Kontinent der oralen Tradition, ist zu hören.
Facettenreich geht der aus Algerien stammende Regisseur der Frage nach, was es bedeutet, in Afrika Filme zu realisieren und zu zeigen. Die angesprochenen Probleme, Paradoxe und Stärken sind meist bekannt, aber eindringlich im Kontext: Afrikanische Filme zeigten nur jenes Afrika, das die mehrheitlich französischen Geldgeber sehen wollten. Ein Kino-Operateur erzählt von seinen Vorlieben, von amerikanischen Actionfilmen und den raren afrikanischen Filmen, die er aufführt. Probleme des technischen Know-hows, der Infrastruktur und des (fehlenden) kulturellen Selbstbewusst-seins kommen zur Sprache.
Neben mehr oder weniger klar abgegrenzten Themenbereichen stehen die Geschichten im Mittelpunkt. Sie umranken das jeweilige Thema. Mitunter verdrängen sie es auch. So wird der anfangs stringente Film nach einer dreiviertel Stunde ausladend. Dies hegt zum einen in der Rhetorik seiner fast fünfzig Gesprächspartner von Youssef Chahine bis Idrissa Ouedraogo und seiner wenigen -partnerinnen (man vermisst beispielsweise Safi Faye): Sie sind fast alle amüsante Geschichtenerzähler. Zum anderen ist dies eine Folge von Soudams enzyklopädischer und gleichzeitig assoziativer Organisation des Materials. Er will nicht «das afrikanische Kino» zeigen - was eine postkoloniale Vermessenheit wäre -, sondern die Vielfalt seiner Kinematographien. Dabei ruft er ins Bewusstsein, welche enormen kulturellen und materiellen Unterschiede zwischen Nord- und Schwarzafrika bestehen. Soudani überlädt mit dieser Stoffülle und seinem hohen Anspruch auf Differenzierung das Werk. Alles ist gleich wichtig. Die teilweise rasend schnellen Schnitte, die Gesprächssplitter aneinanderfügen, bringen die Zuschauenden an die Grenze der Autnahmefähigkeit.
Die Stärke von Sud - les diseurs d'histoires liegt in seiner formal einfallsreichen und atmosphärisch dichten Gestaltung. Soudani arbeitet viel mit Überblendungen, hat ein Auge für anregende Kadragen und setzt Ton und Bild oft kontrapunktisch ein. Die Bilder eines Travellings durch die Strassen einer Stadt an der Côte d'Ivoire begleitet er mit verschiedenen dramatischen Tonspuren aus Spielfdmen. Die bahrt endet sinnigerweise in einem Kino, das vornehmlich amerikanische Actionfilme zeigt: «Afrika muss Widerstand leisten, und seine besteWafle ist seine Kultur ... seine Identität», lauten die letzten - beschwörenden Worte im Film.