Karl Saurer hat sich schon in Der Traum vom grossen blauen Wasser von 1993, seinem Film über den Bau des Sihlsee-Damms, mit Vertreibung und Migration befasst. In Steinauer Nebraska gehl der aus Einsiedeln stammende Dokumentarist nun wieder von seiner engeren Heimat aus, spannt den Bogen aber weiter, über den Atlantik. 1852 wanderten die Brüder Steinauer aus materieller Not von Einsiedeln nach Amerika aus. Joseph Alois Steinauer und seine zwei Brüder Anton und Nikolaus liessen sich schliesslich in Nebraska nieder, mitten im Indianerterritorium. In einer Gegend namens Turkey Creek gründeten sie eine Ortschaft, der sie ihren Namen gaben. Schrittweise verdrängten die Neuankömmlinge die Ureinwohner.
Mehr als hundert Jahre später wohnen die Nachfahren der Steinauers noch immer auf dem Fand, das einst von Büffelherden beweidet wurde. Doch als Bauern können sie ihren Lebensunterhalt nur noch teilweise bestreiten, und so bewirtschaften sie - als war's eine List der Geschiebte - immer mehr Ackerland mit dem Steppengras, das dort vor der Ankunft der Siedler wuchs.
Karl Saurer hat den Reiseweg der Brüder Steinauer rekonstruiert und ihre Nachfahren in Nebraska aufgesucht. Als «balladesk» charakterisiert er selbst die Struktur seines Films. Nach einem Prolog über die Amerikareise, die den Schweizer Maler Karl Bodmer 1832 unter anderem nach Nebraska führte, leitet Saurer über zu einem Bericht von seiner eigenen Reise nach Steinauer. Diesen Bericht teilt er auf in Strophenartige Segmente und untcrschneidel diese mit historiographischen Abschnitten, in denen er neben Interviews und Photographien auch Amateuraufnahmen aus den zwanziger und dreissiger Jahren verwendet. Ein weiteres Element der Montage bilden schliesslich refrainartige Einschübe von Landschaftsaufnahmen, die von Texten der zeitgenössischen indianischen Autoren Robert J. Conley und Leslie Marmon Silko begleitet werden.
Diese Struktur erlaubt es Saurer, seinen elegischen Bericht präzise und unverhofft leichtflüssig vorzutragen. Die Form der filmischen Ballade mit ihren Wiederholungen und Variationen wird dabei m besonderer Weise jener Zirkularität von «Gewinn und Verlust» gerecht, welche der Untertitel des Films anspricht. Das Denken dieser Zirkularität gewinnt, und dies ist das Kernthema des Films, im Verlauf der Geschichte der Steinauers sukzessive an Evidenz gegenüber dem linearen, fortschrittsgewissen Optimismus des Traums vom besseren Leben, stehen doch die Nachfahren mit nicht viel mehr da als dem wenigen, mit dem die Stadigründer einst anfingen. Resignatives Pathos vermeidet Saurer bei der Behandlung dieses Themas indes ebenso wie jene Art von zivilisationskriuscher New-Age-Rhetonk, die gerne überhandnimmt, wenn indianisches Gedankengut in Filmen oder Texten heigezogen wird. Dass er auch diese Balance hält, zeichnet seinen Film weiter aus.