«Die Gebärdensprache ist das zentrale Element der Gehörlosenkultur.» Der Satz, erscheint Hörenden selbstverständlich, keines weiteren Gedankens wert. Tanz der Hände bedient sich filmischer Mittel, um aus der lapidaren Aussage eine Annäherung zu machen. Der Film handelt nicht primär von der Gebärdensprache, sondern bedient sich ihrer.
Die Mittel sind einfach – Videobilder, aufgenommen in einer Reihe von spezifisch gebärdensprachlichen Kontexten, aneinandergereiht in einer linearen Montage, begleitet oder kommentiert einerseits durch die Musik Pierre Favres, anderseits durch Untertitel. Was den dokumentarischen Tour d'horizon entscheidend bereichert, ist eine Art Verdoppelung des Mediums. Die Menschen im Film führen mit Gebärden etwas vor, das in sich einer Art Kino mit visuell-körperlichen Mitteln nahekommt. Ihr sichtbarer Ausdruck, schon als solcher ein «Spektakel», lässt eine Vielfalt von Welten des Lyrischen, Dramatischen und Humoresken autscheinen.
Die erste Begegnung zwischen Zuschauerinnen und handelnden Personen ist szenischer Art. Die Gebärdenpoetin Martine Leuzinger Maye vollzieht ihre Poesie auf einer Bühne (im 1 Untergrund ergänzt mit Fotos und Lichtmalereien). Ihr Stil ist - wie das Genre der Gebärdenpoesie überhaupt - für die meisten Hörenden wohl ungewohnt, zugleich aber radikal auf das Publikum hin geöffnet: Die frontale Kamera macht aus den Rezipierenden im Kino die Adressatinnen des Gedichts. Durch diese direkte Zuwendung ist der Anspruch im Untertitel des Films schon weitgehend erfüllt: «Die Welt der Gehörlosen aus ihrer eigenen Sicht». Es folgen Szenen mit Reportagecharakter. Eine Sprachwissenschafterin zeigt Ausdrücke der Zeitlichkeit in der Gebärdensprache; ein Psychologe demonstriert ein Psychologie-Gehärdenlexikon auf CD-ROM; ein Linguist erläutert Zusammenhänge zwischen Forschung und gebärdensprachlicher Unterrichtspraxis in Schweden. Dazwischen immer wieder Szenisches: gebärdend vorgetragene Gedichte, Tanz-und Theaterszenen des Pariser International Visual Theater sowie Anekdoten, Witze und Kurzgeschichten, die an einem Lest in der Ro-mandie erzählt werden.
Tanz der Hände erweist sich als wertvoller Beitrag zu einer Geschichte des Umgangs mit der Gebärdensprache in unseren Breitengraden. Der Film wendet seinen Kamerablick bewusst dahin, wo sich Gebärden entfalten können. Mit stets fühlbarem Selbstbewusstsein führen die Macher (Autor und Regisseur Phil Dänzer ist schwerhörig, Co-Autor Peter Hemmi und Kameramann Enrico de Marco sind gehörlos) das hörende Publikum vor die Bühne, wo man als unsensibihsierter Hörender angesichts einer zutiefst visuell-taktilen Kultur ins Staunen kommt. Darauf ist der Film aus gerichtet. Was sich hinter der Bühne an Konflikten pädagogisch-gesellschaftlicher Naturverbirgt, kann er daher nur andeuten.