Ein Junge füllt seinen Wasserkanister. In einer schäbigen Küche tut ein Mann dasselbe mit einer Plastikflasche und steckt ein vergilbtes Familienfoto ein. Eine Frau verbrennt ihren Paß, im Hintergrund spielt ein Mädchen. Ein Mann trinkt einen Brandy an der Bar, bevor er seinen voluminösen Seesack schultert. Eine Frau läßt sich schweigend durch die Nacht fahren. Sie alle haben ein Ziel: Nach der Geldübergabe werden sie über Reifenberge und Stacheldraht in einen Container geschleust, der sie von Le Havre aus übers Meer nach Kanada und in ein besseres Leben führen soll.
Gleich zu Beginn spitzt sich das Drama zu: Dora (Simona Maicanescu), die mit ihrer Tochter Svetlana (Christelle Sabas) unterwegs ist, verliert ihren ganzen Proviant. Roman (Anton Kouznetsov), der aus Rußland stammt und am besten von allen ausgerüstet ist, nutzt seine Machtposition schamlos aus. Halima (Hanane Rahman), aus Nordafrika stammend wie Walid (Moussa Maaskri), weist dessen Fragen schroff zurück. Der Zigeunerjunge Sandu schließlich (Ovidiu Balan) – den Kampf ums Überleben gewohnt – nährt die Tagträume vom verheißenen Land. Not, Überfluß, Abhängigkeit und Solidarität lassen Sympathien und Antipathien und damit ein Beziehungsgeflecht entstehen, indem die einzelnen immer mehr merken, daß sie nur gemeinsam überleben können. Der Traum wird schließlich nur für Sandu und Svetlana in Erfüllung gehen.
Der Genfer Wadimoff und der Kanadier Chouinard haben sich in Montréal an der Filmschule kennengelernt und das Projekt des Films gemeinsam entwickelt. Beide beschäftigten sich schon in ihren bisherigen Filmen mit Immigration und der Problematik multikultureller Gesellschaften. Aus ihrem Interesse und ihrer Anteilnahme an den Beweggründen und dem Schicksal von Container-Flüchtlingen, das heißt illegalen Immigranten, entstand Clandestins. Ein Huis-clos-Stück, das erahnen läßt, welche Verzweiflung einem solchen Auswanderungsentscheid zugrunde liegen muß, das Mut und Menschlichkeit, vor allem aber den Überlebenskampf zeigt, den eine solche Passage mit sich bringt und der in vielen Fällen unglücklich, wenn nicht tragisch endet.
In einem geschickten Gegenüber von Innen und Außen wird das Geschehen situiert, die Arbeitsroutine der Seeleute dem Überlebenskampf der Flüchtlinge gegenübergestellt. Die bedrückende Enge des Containers wird durch den Gegensatz zu Licht, Wind und Meer des Draußen noch verstärkt. Die Kamera mißt die wenigen Quadratmeter immer und immer wieder aus, durchfährt sie der Länge nach, schaut in Aufsicht, in Großaufnahmen und läßt so das Geschehen mehr und mehr zu einer klaustrophobischen Erfahrung des Filmpublikums werden: Durst, Hunger, Enge und Dunkel gehen in fast körperlicher Weise auf die ZuschauerInnen über. Aber auch Bewegung und Stillstand scheinen sich im Schauen zu materialisieren: wenn das Schiff im Hafen festliegt oder wenn eine Havarie mitten im Ozean den Dampfer lähmt. Mit den Eingesperrten reagieren wir erleichtert, wenn der Schiffsbug wieder durch die Wellen sticht. Die Zeit – vorerst noch minutiös mittels Holzkerben, die Tage zählen, kalkulierbar – gerät zunehmend ins Fließen, mißt sich an den Vorräten, die viel zu früh zu Ende gehen, am stockenden Computerspiel oder der ausgehenden Lampe, am Körperzustand der Beteiligten.
Nicht zuletzt die hervorragenden Leistungen der Schauspielerinnen verleihen den Figuren eine selten gesehene Dichte, tragen die dramatische Kurve der Handlung in einer Weise, der man sich nicht entziehen kann, anrührend und bewegend ohne falsche Sentimentalitäten oder Theatralik. Der Film ist ein politisch-humanitäres Manifest, das ohne Schuldzuweisungen auskommt, und wohl nicht zuletzt deswegen überzeugt.