Seit Erich Langjahrs erstem abendfüllenden Dokumentarfilm Morgarten findet statt (1978) sind beinahe zwanzig Jahre vergangen. Fünf lange Dokumentarfilme hat er in dieser Zeit realisiert. Sie alle haben zum Eindruck eines starken und eigenwilligen Schweizer Dokumentarfilms beigetragen.
Im Titelvorspann von Sennen-Ballade heißt es: »zum 150. Geburtstag der modernen Schweiz« – und das ist keinesfalls ironisch gemeint. Das bäuerliche Leben in Übergangs- und Krisenzeiten beizuziehen, um dort den Symptomen der Zeit nachzugehen und wenn nicht Antworten, so doch Fragen, die dem Leben zu stellen sind, wiederzufinden, hat im neuen Schweizer Dokumentarfilm Tradition. Langjahrs Sennen-Ballade handelt vom Alltag einer Bergbauernfamilie im ausgehenden 20. Jahrhundert. Zu Beginn des Films wird gezeigt, wie die traditionelle Appenzeller Sennentracht mit den charakteristischen gelben Lederhosen hergestellt wird. Es ist nicht eine Welt von vielen Worten, sondern von flinken Händen, die ununterbrochen an der Arbeit sind. Schon beim ersten Gegenstand (den Lederhosen), den wir entstehen sehen, wird deutlich, was im Zentrum von Sennen-Ballade steht: Handarbeit und durch Schauen, durch Zuschauen lernen. Erich Langjahrs Film paßt sich den Besonderheiten dieses Themas an: Die Kamera beobachtet aufmerksam, interessiert – immer darauf bedacht, genau hinzuschauen, präzise nach Bildern zu suchen, die funktional und schön in einem sind. So zum Beispiel, wenn die Schweine gefüttert werden: Sie drängeln an die Tröge, quetschen sich nebeneinander zum Futter vor, werden aus der Reihe gedrängt und suchen sich erneut einen Zugang. Dann: nur die Hinterteile der Schweine – aufgeregte, vor Freude und Drang sich drehende Ringelschwänze im Bild – ein Ballett.
Die Chronologie schließt mit den Winterarbeiten der erneut ins Tal zurückgekehrten Sennen. Die wieder vollständigen Familien (die Frauen kommen nur zu Besuch auf die Alp) widmen sich dem traditionellen Handwerk. Die Männer basteln die Masken für die »schöne« und »schö-wüeschte« Silvesterchläuse. Und wieder werden Hosen gelb gestrichen; diesmal diejenigen der geschnitzten Senn-Miniaturen, die in die Miniaturbauten, welche das Sennenleben darstellen, fein säuberlich plaziert werden. Damit tritt der Dokumentarfilm in Analogie zum traditionellen Handwerk: beide zeichnen Momente des Sennenalltags nach und mediatisieren das bäuerliche Leben.