Ein Maler, Lehrer, dilettierender Dichter und Chronikschreiber mit Namen Hans Ardüser zog im 16. Jahrhundert durch das Bündnerland und zierte Häuser und Kirchen mit expressiv-naiven Tableaus. Fred van der Kooij läßt Ardüser entlang dessen Tagebuch aus betont subjektiver Sicht wiederauferstehen. Zeitgenössische Choräle kombiniert er mit futuristischen Klängen und verbreitet gleich zu Beginn mit einer kreisenden Kamera über brennendem Boden eine surrealistische Stimmung.
Van der Kooij verknüpft performanceartige Szenen und springt frei durch Zeit und Raum: Ardüser schläft im Wald zwischen an Schnüren aufgehängten Skizzen. Ein »komisches Getier« löst sich von einem Skizzenblatt und schrickt ihn aus dem Schlaf. Ein Bergbach verfärbt sich blutrot. In einer Kirche zeichnet er einem Heiligen einen Teufelskopf, den er hastig wieder übermalt, als Schritte nahen: ein Getriebener am Werk, im Zwiespalt zwischen persönlichem Gestaltungswillen und den Wünschen der Auftraggeber. Vier junge Frauen kommentieren Maler und Werk wie der Chor im antiken Theater. Sie übernehmen eine ordnende und reflektierende Funktion in dieser Collage von freiflottierenden Bedeutungen und Zeichen.
Erst nach sieben Minuten wird dieses suggestive, eher musikalisch als kausal gefügte Szenengeflecht unterbrochen durch Klartext auf rumantsch aus dem Munde des Hausbesitzers Ami Conrad. Er erläutert die Fresken von Ardüser am Haus seiner Großmutter. Später stellt der Restaurator Jörg Joos den Maler in einen kunstgeschichtlichen Kontext: Er benutzte Pinsel und Worte so wie van der Kooij Symbole und Zeichen: mit spielerisch-absurdem Einschlag. Die Bilder stehen kopf, als Ardüser von seiner »Blödigkeit« berichtet. Einmal steht er lebensmüde auf einem Felssporn, auf seine Augen hat er sich zwei tote Vögel gebunden. Sind sie es, die ihn vom Sprung abhalten?
Van der Kooij entwirft ein faszinierendes Porträt einer ebensolchen Figur. Sein Verfahren ist alles andere als didaktisch, fern jeder weihevollen »Kulturfilm«-Ästhetik. Lustvoll strapaziert er Wahrnehmung und Verständnis mit einem Überangebot an Symbolen und Querbezügen. Sobald man glaubt, Ardüser fassen zu können, zeigt ihn die Kamera in spastischer Bewegung mit verstörtem Gesicht. Zentrale Informationen werden nur angedeutet. Daß Ardüser eine Art Weltchronik geschrieben hat, ist en passant zu erfahren. Auf seine schwierige ökonomische Situation zwischen verfeindeten Konfessionen wie auch auf Ardüsers anscheinend eher dilettantisches poetisches Wirken verweist van der Kooij in einem Wortspiel (»Mutter, Futter, Luther, Butter – hat Luther wohl Butter?«). Diese Verschlüsselung von Fakten und Quellen ist oft verwirrend, manchmal unzugänglich, dafür belohnt sie Auge und Ohr mit einer spukhaften Poesie. Stellenweise scheint die Existenz Ardüsers selbst in Frage gestellt. Diese verfremdende und selbstreferentielle Annäherung hat van der Kooij schon in seinem Porträt des Komponisten Scelsi (Casa Scelsi) erprobt. Ardüser moler erschließt sich erst beim zweiten oder dritten Sehen. Ohne Hilfe des Videorecorders läuft die einmalig ausgestrahlte Fernsehproduktion Gefahr, ein sinnliches Rätsel zu bleiben.