Klassenunterschiede auf einem Dampfer im indischen Ozean: Juliette (Elodie Bouchez), Tochter eines reichen Schweizer Spinnereibesitzers, tanzt in der flammendroten Samtrobe mit ihrem frisch Angetrauten. Esther, bloß Zaungast an der Salontür der Ersten Klasse, ist die etwas abgehärmte, fromme junge Frau, die auf der Fahrt zu ihrem zukünftigen Bräutigam ist: Per Los hat sie es auf den Missionar in der indischen Wildnis getroffen. Aus Abenteuerlust und vor allem Trotz – Juliette glaubt, daß ihr Ehemann sie nur des Geldes wegen geheiratet, hat – übernimmt die reiche Fabrikantentochter die Rolle Esthers, als diese sich im letzten Moment aus Angst und Panik vor dem Aussteigen drücken will. Beim Zusammentreffen mit dem Missionar Gustav (Laurent Grévill) fällt die sinnlich schöne Juliette ihm ohnmächtig in die Arme.
Ausgehend von der Biographie seiner Großmutter, will Imhoof diese Liebesgeschichte in Szene gesetzt haben. Im Indien des 19. Jahrhunderts angesiedelt, porträtiert er zum einen die feurigen, wenn auch größtenteils fruchtlosen Bekehrungsversuche des christlichen Missionars. Zum andern skizziert er die sich entgegen allen Erwartungen anbahnende Liebe zwischen der eigenwilligen, eigentlich schon modernen jungen Frau und dem vorerst in seinem Glaubenseifer gefangenen Gustav. Sie – ganz Tochter eines liberalen, aufstrebenden Bürgertums – will tatkräftig etwas gegen die Armut tun und kauft zuerst einen Jungen, Apu, dann hundertfünfzig weitere »Heiden« frei, um sie auf der Missionarsstation zu beschäftigen.
Beide Erzählstränge spitzen sich dramatisch zu: Als Kristallisationsfigur dient Hosianna, die vormalige Geliebte Gustavs. In Eifersucht entbrannt und obwohl vordergründig christianisiert, hat sie ihrem alten Glauben nie abgeschworen. Als Gustav sie wiederholt abweist und sich auch noch an den heiligen Bäumen zu schaffen macht, um die neue Kirche just an deren Ort zu bauen, wird sie zur hysterischen Anführerin im Ansturm auf die Missionarsstation, die schließlich in Flammen aufgeht. Sie selbst fällt durch einen Gewehrschuß. Juliette läßt sich vorerst von ihrem Ehemann zurückholen, entscheidet sich dann aber für ihre Liebe zu Gustav, der »nach Indien« gehen und endlich die Kultur kennenlernen will, die er jahrelang bekämpft hat.
Leider fällt der Film recht eigentlich dem zum Opfer, was er ursprünglich anklagen wollte: Da ist einerseits die Ignoranz gegenüber einer fremden Kultur. Indien scheint in Flammen im Paradies nur mehr Staffage, die Einheimischen agieren als Komparsen, die in einer für uns unverständlichen Sprache sprechen. Holzschnittartig wird der missionarische Eifer umgesetzt: die Predigten mit der Lanterna magica, welche die Inder jedoch wenigbeeindruckt, im Gegenteil ihren Zorn heraufbeschwört, legt sich der Missionar doch mit ihren Göttern an. Abgerufen werden stereotype Bilder, wie man sich missionarisches Tun und Kolonialismus in seinen negativsten Ausformungen schon immer vorgestellt hat.
Andererseits überzeugen auch die dramatischen Irrungen und Wirrungen wenig, will der Funken der Liebesbeziehung nicht recht überspringen. Die Sinnlichkeit der weiblichen Hauptfigur, die Symbolsprache von Farben und Kleidern wird lehrbuchhaft herausgehoben und leitmotivisch verarbeitet. Vermißt wird eine glaubwürdige Einbettung der Figuren und ihres Verhaltens in die historische Zeit. Juliettes Unbefangenheit und körperliche Präsenz oder etwa die leidenschaftliche Liebesnacht scheinen mehr der heutigen Zeit anzugehören. Das intime Drama und die sozialkritische Darstellung von missionarischem Tun im Indien des vergangenen Jahrhunderts klaffen unvereinbar auseinander.