Der Mann, den Edgar Hagen in seinem Film porträtiert, heißt eigentlich Markus Schneider und ist von Haus aus Kunstmaler. Seit er aus innerer Überzeugung zum radikalen Aussteiger geworden ist und sich als moderner Nomade durchs Leben schlägt, nennt er sich »Markus Jura Suisse«. Markus hat seine Familie und sein Atelier verlassen wie einst Gauguin, allerdings nicht um neue Wege des künstlerischen Ausdrucks zu finden, sondern um ein exemplarisches Leben jenseits aller Zwänge zu führen. Ohne festen Wohnsitz, ohne Papiere und ohne Geld zieht er nun schon seit zwanzig Jahren durch die Schweiz, lebt von der Gastfreundschaft seiner Mitmenschen, hat keine Scheu, sich das Notwendigste zu erbetteln, und nimmt für eine Unterkunft stunden- oder tageweise auch einmal eine Arbeit an.
Als Hagen mit den Aufnahmen begann, mußte er mit der Möglichkeit rechnen, Markus überhaupt nie vor die Kamera zu bekommen. »Wir wußten auch gar nicht, wo er war«, erinnert er sich. »Wir hofften, Markus irgendwo anzutreffen: autostoppend auf der Straße, schlafend auf einem Dachstock, bei seiner Frau und Familie, die er einst verlassen hatte, in einem Gefängnis oder einer psychiatrischenAnstalt, wo er ab und zu irrtümlicherweise eingesperrt wird«. So ist Hagen mit seinem Kamerateam zunächst einfach den Spuren von Markus Jura Suisse gefolgt. Dies wiederum war relativ einfach, da der Nomade auf seinen einsamen Wanderungen – ähnlich wie in Zürich einst der »Sprayer« Harald Naegeli – unübersehbare Markierungen in Form von Graffiti zurückläßt. Im Gegensatz zu den künstlerisch gestalteten Spraybildern Naegelis bleibt sich das meist nur faustgroße Logo von Markus immer gleich: drei konzentrische Kreise um einen Punkt und um das Ganze herum das jeweilige Datum. Mit Vorliebe platziert er seine Signete auf Plakate, Schaufenster, Lifttüren und amtliche Tafeln. Und wenn er auf eine frischgestrichene Wand stößt, schreibt er auch gerne seinen vollen Namen darauf.
Die Widersprüche in seinem Leben kann Markus am besten selber erklären. Und so ist es ein Glück, daß er sich schließlich doch vor die Kamera bequemte. Durch seine menschliche Wärme und die verblüffende Intelligenz, die man seinen Argumentationen trotz aller Verstiegenheit nicht absprechen kann, hat Hagens Film erst seine gültige Form gefunden: als Kaleidoskop von persönlichen Erklärungen des Porträtierten, von Gesprächen, die dieser mit andern Leuten führt, von emotional gefärbten Meinungen, die andere über Markus abgeben, und nicht zuletzt auch von Bildern der einsamen Juralandschaft und der Stadtviertel von La Chaux-de-Fonds, die Markus geprägt haben.
Man denkt bei Markus eher an die Figur des rätselhaften Gastes in Pasolinis Teorema als an die des biblischen verlorenen Sohnes, den Hagen – beeinflußt von Markus' eigenen Aussagen – im Titel seiner Arbeit anspricht. Fast so außergewöhnlich wie Markus ist der Film über ihn geworden. Hagen charakterisiert ihn mit den Worten: »Wir haben uns treiben lassen auf der Sprachgrenze zwischen Romandie und Deutschschweiz, durch einen Sprachwirrwarr, der im Film zum selbstverständlichen Stilmittel werden sollte: Ausdruck einer möglichen Begegnung zweier sich fremd gegenüberstehenden Kulturen.«