Nach Monaten der Gespräche und »Tests« in sogenannten Empfangsstellen verschiedener Schweizer Grenzorte vereinbarte Peter von Gunten mit vier sudanesischen Familien, den Film über sie zu drehen. Thema: das Verfahren, mit dem die offiziellen Stellen die Asylbewerberinnen befragen und prüfen, sowie der Weg, den diese Hilfesuchenden durch die Instanzen und die verschiedenen Flüchtlingszentren zurückzulegen haben. Die Sudanesen ersuchen um Asyl, da sie aufgrund ihrer Religion (koptisches Christentum) im fundamentalistisch islamisierten Heimatland unterdrückt und verfolgt werden.
Von Gunten wählt die Position des Beobachters und nicht des offensichtlich und vorweg Partei-Ergreifenden: Mit diskreter Kamera und insistierender Präsenz dokumentiert er ihren Weg durch die Bürokratie. (Erstaunlicherweise erhielt er die Einwilligung des Bundesamtes für Flüchtlinge.) Und dieser Gang in und durch die Schweiz erweist sich als eigentlicher Stationenweg, auf dem die Asylsuchenden zunehmend deprimiert und verzweifelt werden, während die Agenten der Administration beteuern, daß jeder Schritt vorwärts zu Besserem führe: »They teach us how to be happy« - so die zynische Bilanz eines derart Beleidigten.
Von Gunten vertraut auf die »klassische« Form des Dokumentarfilms, auf lange Einstellungen, die Beobachtung und Registrierung von Vorgängen, die Wiederholung von ähnlichen Konstellationen, die Zeugenschaft des Bildes. Obwohl selbstverständlich nur kleine Ausschnitte aus den Vorgängen gezeigt werden, hält es der/die Zuschauerin mit der Zeit kaum mehr aus - die Unerträglichkeit der Situationen wird in dieser Art der Übertragung physisch spürbar. Und man beginnt, was man zu kennen meint, neu - in einer Weise des Mit-Leidens - zu erleben. Man erfährt auf der einen Seite die Konsternierung, Verzweiflung und auch Wut der Entmündigten. Und es gelingt dem Film durchaus - was äußerst heikel ist für sämtliche Beteiligte, speziell in dieser existentiellen Streßsituation - Einblicke zu vermitteln in die Intimität und »Privatheit« der Leidenserfahrung sowie der Ängste, denen die Asylsuchenden ausgesetzt sind. Auf der anderen
Seite erfährt man aber auch die Überforderung der Verwaltungsbeamten angesichts der Absurdität und Unmöglichkeit ihrer Aufgaben. Und hier kommt nun etwas thematisch Zentrales ins Blickfeld. Im Asylverfahren geht es darum, »Wahrheiten« zu eruieren, das Leiden von anderen meßbar zu machen. Die schier endlosen Registrierungen und Befragungen - betont »korrekt« und »sachlich« durchgeführt - drehen sich im Kreis. Dabei wird u. a. einsichtig, daß - im Bemühen um »Objektivität« - Kriterien zur Anwendung gelangen, die kaum zu begründen sind, und wie die bürokratisch formalisierte Sprache ihren Gegenstand verfehlt. In diesen Vorgängen geht es denn auch um die Konstruktion und Behauptung einer Ordnung, die letztlich rein imaginär ist und als kollektives Phantasma die Funktion hat, eine Gemeinschaft zu stabilisieren. Das Asylverfahren dient dazu, diese Fiktion rituell zu bestätigen, in der permanenten Wiederholung, unabhängig von der Spezifik der einzelnen konkreten Fälle der Asylsuchenden. Und genau dieses Paradox vermag von Guntens Film vorzuführen. Es handelt sich also um eine Art ethnologischen Film, der zeigt, wie eine Gemeinschaft sich durch Rituale bildet und erhält. Und derartige Rituale der Ein- und Ausgrenzung verlangen, wie die Kulturgeschichte beweist, (Menschen-)Opfer.