1914 wird Ägypten durch die Engländer von der türkischen Oberhoheit befreit und in der Folge britisches Protektorat. 1922 erlangt das Land, zumindest nominell, die Unabhängigkeit. Im Zuge dieser Befreiungsbewegungen und der zunehmenden Ausrichtung auf die westliche Kultur manifestieren sich die Bedeutung und die Stärke der Frauen in dieser Gesellschaft. 1919 wird die ägyptische Frauenvereinigung gegründet. Sie bildet eine wichtige Grundlage für die Forderung nach Gleichberechtigung in den Arbeitswelten sowie den Zugang der Frauen zu der staatlichen Politik und den Universitäten. Vor diesem Hintergrund ist die Geschichte der 1907 geborenen Lotfia Al-Nadi zu sehen, die Wageh George in seinem Dokumentarfilm porträtiert.
Die seit den frühen sechziger Jahren aus gesundheitlichen Gründen in der Schweiz lebende Frau erinnert sich, daß sie damals, im Verlangen nach persönlicher Unabhängigkeit, sich nicht zur politischen Aktion gedrängt fühlte, sondern den Wunsch hegte abzuheben: zu fliegen. 193 3 wird sie weltweit eine der ersten und im arabischen Raum überhaupt die erste Pilotin. Der Film rekonstruiert über die erinnernde Erzählung von Lotfia Al-Nadi und mit historischen Fotodokumenten sowie Kommentaren von Zeitzeugen - männliche und dem Beispiel der Pionierin folgende weibliche Piloten und Instruktoren, Historikerinnen, Aviatik-Journalisten - den steinigen Weg, den die junge Frau in einer spezifischen Männerdomäne zurückzulegen hatte. Wobei das vielfältige Material auf eher lockere Weise collagenartig in ein Verhältnis gebracht wird (formal kommt dabei, wie bei einer anderen diesjährigen Dschoint-Ventschr-Produktion: Noel Field, die elektronische Bildbearbeitung zum Tragen). Der Film unternimmt zudem eine Einschätzung der Bedeutung dieser Biographie für die Emanzipation der Frau in der arabischen Welt und auch der westlichen Gesellschaft. Die nüchterne Weise, in der das Material vorgestellt wird - und in der übrigens auch die »Heldin« ihre Tat erinnert und beurteilt -, unterstreicht, daß diese Leistung und diese Biographie in mancher Hinsicht beeindruckend, doch nicht einfach und nahtlos für irgendwelche Emanzipationsgeschichten und -theorien zu instrumentalisieren sind. Take Off From the Sand schildert eine Art Phänomen, die Geschichte eines Individuums, das sich in und gegen die Bedingungen durchzusetzen vermag. Dafür ist das Fliegen - seit ältesten Zeiten - eine speziell einprägsame Metapher.